Mieterstrom für Gewerbe wird durch neue gesetzliche Änderungen erleichtert und ermöglicht nachhaltigen, kostengünstigen Solarstrom vor Ort. Von Sebastian Blecke, operativer Geschäftsführer der GSG Berlin.
Nachhaltiger Solarstrom, vor Ort auf Dächern oder an Fassaden für die ansässigen Büro- und Gewerbenutzer erzeugt – das war in Deutschland jahrelang kaum Thema. Schuld waren die regulatorischen Hürden. Denn Eigentümer, die als Vermieter gewerbesteuerprivilegiert sind, mussten damit rechnen, diesen Status durch die Einnahmen aus der Solarstromerzeugung zu verlieren. Zudem war die Umsetzung aufwendig: Gemeint sind dabei nicht unbedingt nur die Kosten und das Anbringen der Solarpanels inklusive einer etwaigen statischen Vorprüfung des Dachs et cetera – vielmehr mussten zwingend die passenden infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen werden, also physische Verbindungen zu den Messstellen der einzelnen Mieteinheiten. Im Bestand bedeutete das oft die Kompletterneuerung der Elektroanlage, Stichwort wirtschaftliche Unzumutbarkeit.
In beiden Punkten hat der Gesetzgeber inzwischen nachgebessert: Sofern die Einnahmen aus dem Solarstromverkauf nicht zehn Prozent der Mieteinnahmen überschreiten, ist die Gewerbesteuergefahr seit 2021 vom Tisch. Und statt der physischen Messverbindung sind seit Mitte 2023 virtuelle Multisummenzähler als Alternative erlaubt. Lokal und nachhaltig erzeugter Mieterstrom ist seitdem eine echte Option am deutschen Gewerbeimmobilienmarkt. Umwelt und Stromnetz können dadurch entlastet werden.
Mieterstrom – eine Win-win-Situation für alle

Nicht zu vergessen: Weitere Umwelteffekte lassen sich durch eine sogenannte Sektorenkopplung erzielen. Dabei wird der gewonnene Solarstrom zusätzlich beispielsweise dafür verwendet, eine Wärmepumpe im Gebäude zu betreiben oder Ladestationen für E-Autos zu speisen. Solche Sektoren sind für sich genommen schon klimaschonend: Wärmepumpen nutzen Umweltwärme und Elektromobilität kommt bekanntlich ohne fossile Brennstoffe aus. Durch die Kopplung an den vor Ort gewonnenen Strom werden sie auf eine noch höhere Nachhaltigkeitsstufe gehoben. Denn lokaler Mieterstrom ist „echter“ Ökostrom mit eindeutiger Herkunft, der ohne Kompensation durch Klimaschutzzertifikate auskommt. Nicht zuletzt birgt er für die Beteiligten außerdem ökonomische Vorteile: Mieter profitieren von dem günstigeren lokal erzeugten Solarstrom, da das Netznutzungsentgelt und die Umlagen wegfallen.
Vermieter wiederum profitieren von einem niedrigeren Leerstandsrisiko, wenn die Gesamtbelastung ihrer Mieter durch die Flächennutzung (Miete, Nebenkosten etc.) gering bleibt. Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten honorieren Nutzer eine langfristige Partnerschaft von Mieter und Vermieter, die ausdrücklich für beide Seiten ökonomisch fair ist.
Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung
Seit 2024 können Mieter und Eigentümer in Mehrfamilienhäusern von gemeinschaftlichen Stromerzeugungsanlagen profitieren. Mit einer gemeinsamen Photovoltaikanlage kann der selbst erzeugte Strom genutzt werden. Bei der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung wird der PV-Strom innerhalb des Gebäudes verteilt. Wichtig ist, dass sowohl die Stromerzeugung als auch der Verbrauch im gleichen Gebäude stattfinden. Der Strom wird dabei nicht durch das öffentliche Netz geleitet. Außerdem müssen die Strommenge und der Verbrauch jedes Bewohners genau gemessen werden.
Ein Vorteil der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung ist, dass der bestehende Stromvertrag nicht geändert werden muss. Teilnehmer können einen Teil ihres Stroms aus der gemeinschaftlichen PV-Anlage beziehen und den restlichen Strom wie gewohnt von ihrem bisherigen Anbieter. Die freie Wahl des Stromanbieters bleibt bestehen. Die Teilnahme an der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung ist freiwillig. Bewohner, die mitmachen wollen, müssen einen Vertrag abschließen, der nach einer maximalen Laufzeit von zwei Jahren jederzeit gekündigt werden kann.
Status quo und Ausblick
Wie oben dargestellt, wurde der jüngste regulatorische Meilenstein erst im Vorjahr überwunden. Entsprechend hat der Markt gerade erst begonnen, sich zu bewegen: Bislang gibt es in Deutschland lediglich eine niedrige vierstellige Zahl an Gewerbeliegenschaften, in denen Mieterstrom verfügbar ist. Der Multisummenzähler-Anbieter Solarize schätzt die Zahl der Grundstücke hierzulande auf kaum mehr als 1.000.
Ein Indikator für die tatsächlich noch sehr geringen Gesamtmarktzahlen dürfte (paradoxerweise) das Photovoltaikvolumen des GSG-Portfolios sein: Mit 23 Höfen ist die GSG Berlin (noch) der Gewerbeimmobilienvermieter mit der insgesamt größten Photovoltaikfläche in der Hauptstadt – auf mehr als 39.000 Quadratmetern mit 5,75 Megawattstunden (MWp) Solarstrom pro Jahr. Die ersten Gewerbehöfe sind bereits auf Mieterstrom umgestellt, innerhalb der kommenden zwei Jahre sollen dann alle 23 umgestellt sein.
Mit diesen „nur“ 23 Liegenschaften wird die GSG voraussichtlich der größte Mieterstromanbieter Berlins sein, möglicherweise sogar bundesweit. Im Sinne der Umwelt wäre es wünschenswert, wenn das nicht lange so bleibt und der Markt anzieht. Ein positives Signal ist in jedem Fall das Solarpaket I, das im Mai in Kraft getreten ist: Mieterstrom soll demnach künftig auch auf Gewerbegebäuden und Nebenanlagen gefördert werden, wenn der erzeugte Strom sofort verbraucht wird, also keine Netzdurchleitung erfolgt. Dazu können auch mehrere Anlagen zusammengefasst werden – das Konzept der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung wird gestärkt. In Kombination mit dem genannten virtuellen Summenzähler werden Mieterstromkonzepte damit noch attraktiver.
Ein Beitrag von Sebastian Blecke, operativer Geschäftsführer der GSG Berlin.