Wie der Wandel zur Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft gelingen kann, zeigt Salvatore Prestipino von Docunite in seinem Gastbeitrag.
Immobilienunternehmen sind häufig digital schlechter aufgestellt, als sie es sich selber attestieren. Abteilungen arbeiten schon über Microsoft Teams zusammen. Das Asset-Management hat sogar eine KI im Einsatz. Trotzdem fühlt sich der Alltag doch nicht so richtig effizient und reibungslos an. Im Teams-Raum ist Dokumentensuche angesagt und ganz ohne Drucker geht es noch nicht. Datensilos verhindern, dass Abteilungen übergreifend zusammenarbeiten. Das liegt zum Teil auch an falschen Versprechungen der Software-Anbieter und übersteigerten Erwartungen seitens der Unternehmen. Wie lässt sich dieser Konflikt lösen?
IT-Anbieter haben der Immobilienindustrie jahrelang einfache Lösungen für komplexe Probleme versprochen, nicht selten verbunden mit Schlagworten wie Automatisierung und Künstliche Intelligenz. Das betrifft gerade auch Lösungen für das digitale Dokumentenmanagement.
Ein Seminarbesuch reicht nicht aus
Wer diese Ankündigungen für bare Münze genommen hat, steht heute vielleicht vor einem digitalen Scherbenhaufen und ist um einige Investitionen leichter. Denn, häufig wurde so versucht, Schritt 5 vor Schritt 1 in Sachen Digitalisierung zu gehen. Digitalisierungsprojekte verliefen im Sande. Genervte Mitarbeiter haben im schlimmsten Fall das Vertrauen in digitale Lösungen verloren.
Das alles muss nicht sein: mit einer ehrlichen Herangehensweise. Die Erwartungshaltung der Branche lässt sich häufig mit Teilnehmern von Entwicklungsseminaren für die Persönlichkeit vergleichen, die glauben, dass ein Seminarbesuch ausreicht, das eigene Leben zu verändern. Natürlich ist das Gegenteil der Fall. Ein Seminar ist immer nur ein Startpunkt, denn grundsätzlich ist es erforderlich, im Anschluss langfristig das Gelernte umzusetzen und an sich selbst zu arbeiten.
Digitales Reifegrad-Modell
Zur Ehrlichkeit gehört ebenfalls der tiefe Blick in den Spiegel und die Frage: Wie digital ist mein Unternehmen wirklich? Um diese Frage zu beantworten, haben wir ein digitales Reifegrad-Modell entwickelt, das einen besonderen Fokus auf das Dokumentenmanagement für die Immobilienbranche legt.
Stufe 1: Das Akten-Archiv
Wichtige Informationen existieren in der Regel auf Papier und werden anlassbezogen gescannt, per E-Mail oder USB-Sticks verschickt. Ein Szenario, das auch 2023 in der Immobilienwelt gar nicht so unwahrscheinlich ist. Dezentrales Arbeiten ist kaum möglich und Unternehmen können in dieser Phase nur schwer bis gar nicht skalieren. Gefahr: Immobilienan- und verkäufe werden deutlich verlangsamt. Die Arbeitsweise erhöht die Komplexität und minimiert mögliche Margen.
Stufe 2: Das Server-Sammelsurium
Dokumente und Informationen liegen, gern als PDF-Dateien, – vielleicht sogar Passwort-geschützt – auf einem Server ab? Dennoch existieren unterschiedlichste Ordner-Strukturen, die in Abteilungen über Jahre hinweg gewachsen sind? In diesem Stadium betrachten sich viele Unternehmen bereits als digitalisiert, weil sie nicht mehr mit Papier arbeiten. Allerdings sind die Strukturen und Denkweisen aus der "alten" Welt einfach in die virtuelle Welt mitgewandert. Auch diese Stufe hat noch wenig mit Digitalisierung zu tun, denn hier spiegelt die digitale Welt einfach nur die analoge. Mit gewachsenen Silo-Strukturen, die unternehmensweite Zusammenarbeit begrenzen, und langsamen ineffizienten Arbeitsprozessen.
Stufe 3: Der Cloud-Computer-Club
Die Verwaltung der Dokumente erfolgt in einem digitalen Ablagesystem: der Cloud. Hier können mehrere Leute gleichzeitig daran arbeiten. Zugriffsrechte werden auf Dokumentenbasis vergeben und es gibt individuelle Strukturen statt festgelegten Ordnern für alle. Anstelle von mehr Silos, ist die Cloud durch eine vernetzte Organisation gekennzeichnet. Denn Dokumente können in einer Version mit unterschiedlichen Rollen und Abteilungen geteilt werden. Änderungen sind live oder archiviert jederzeit nachvollziehbar. Ist eine Cloud im Einsatz, ist das Unternehmen bereits in der dritten Phase der digitalen Reife angekommen. Mitarbeiter denken teilweise bereits in Netzwerken, bauen Abteilungssilos langsam ab. Doch auch hier besteht das Risiko: Wer seine Denk- und Arbeitsweise aus der analogen Welt mit in die Cloud nimmt, steht vor ähnlichen Schwierigkeiten wie beim klassischen Dokumentenmanagement. Unternehmen brauchen ein digitales Mindset, um die Möglichkeiten von Cloud-Lösungen effektiv zu nutzen.
Stufe 4: Die Netzwerk-Nerds
Die Grundlage für team- und abteilungsübergreifendes Arbeiten bilden nicht mehr Ordner, sondern einzelne Dokumente? Wichtige Dokumente existieren nur noch in einer einzigen Version? Jeder, der über eine Berechtigung verfügt, arbeitet gemeinsam an dieser einen Version und ist immer auf dem aktuellsten Stand? Wer diese Fragen mit "Ja" beantworten kann, ist in der Netzwerk-Stufe angekommen. Das klassische Abteilungsdenken wird hier abgelöst vom Denken in Aufgaben. Es existiert eine Single-Source-of-Truth auf Dokumentenebene.
Die Vorteile entstehen durch Effizienzgewinne und bessere Entscheidungsgrundlagen auf Basis verlässlich vorhandener Informationen in allen Abteilungen. Im Asset- und Property Management profitieren Mitarbeiter von schnelleren Arbeitsabläufen und können informierte Entscheiden treffen wie zu Sanierungsmaßnahmen, Gewährleistungsansprüchen und ESG. Im Verkauf können Immobilien, die über eine umfassende digitale Dokumentenbasis verfügen, schneller und damit gewinnbringender verkauft werden.
Stufe 5: Die Mensch-Maschine-Symbiose
Ein hoher Grad an Automatisierung, nahtlose Prozesse, kein Informationsverlust und die Kollegen können sich in ihrem Stuhl zurücklehnen und die wirklich wichtige Denkarbeit leisten? Gibt es bereits eine digitalisierte Datengrundlage, die mit Informationen statt mit Dokumenten arbeitet? Dann können künstliche Intelligenz und Algorithmen voll zum Tragen kommen. Jetzt ist das Unternehmen in Phase 5 angekommen. Kollaboratives und transparentes Arbeiten sind jetzt wirklich möglich. Auf dieser Stufe erleben Unternehmen nicht nur einen enormen Fortschritt und eine Neustrukturierung der Zusammenarbeit, sondern auch, wie eine moderne IT-Landschaft sinnvoll zum Einsatz kommen kann. Positiv: Die Mitarbeiter freuen sich über ihre persönlichen Vorteile dank Digitalisierung.
Eigenmotivation erforderlich
Wo stehe ich mit meinem Unternehmen aktuell in Sachen Digitalisierung und Dokumentenmanagement wirklich? Die Frage sollte sich jeder immer wieder stellen. Oft sind die Erwartungen an digitale Helfer nicht zuletzt wegen überzogener Marketing-Versprechen unrealistisch. Gut gemeinte Change-Projekte sind dann schnell zum Scheitern verurteilt.
Wer aber einen Schritt nach dem anderen macht und sich in seiner digitalen Reife immer wieder reflektiert, wird mit gesteigerter Effizienz, zufriedeneren Mitarbeitern und einem zukunftsfähigen Geschäftsmodell belohnt. Auf diesem Weg können wir erfolgreich beraten, steuern und umsetzen. Ein wenig Eigenmotivation ist aber auf jeden Fall erforderlich.
Ein Beitrag von Salvatore Prestipino, Head of Sales bei Docunite.