Illustration von zwei Personen, die sich mit Megaphonen als Köpfe an einem Tisch gegenüber sitzen und diskutieren.
Nachverdichtung trifft oft auf Widerstand. Transparenz, Dialog und innovative Bauweisen können helfen, Akzeptanz zu schaffen und Konflikte zu lösen. (Quelle: Pixabay)

Projekte 2025-02-21T09:46:41.961Z Konfliktherd Nachverdichtung: Es muss nicht immer eskalieren

Nachverdichtung führt oft zu Konflikten. Wie Mediation, Kommunikation und Technik helfen können, Widerstände zu überwinden, erläutern Prof. Dr. Winfried Schwatlo und Stefan Anderl.

Ein Bauvorhaben wird bekanntgegeben, und plötzlich schlagen die Wellen hoch. In einer Stadtviertelversammlung melden sich aufgebrachte Stimmen, in sozialen Netzwerken kursieren irreführende Bilder von angeblich zerstörten Grünflächen, und erste Protestplakate tauchen auf. Solche Szenen stehen exemplarisch für das, was immer häufiger passiert, wenn es um Nachverdichtungsprojekte geht: Emotionen kochen hoch, und die Fronten verhärten sich.

Porträt Prof. Dr. Winfried Schwatlo
Gastautor Prof. Dr. Winfried Schwatlo (Quelle: privat)

Doch wie kann in einer solchen Situation ein produktiver Dialog entstehen? Und wie können Bauherren und Entwickler mit dem Widerstand umgehen und gleichzeitig aktiv Brücken zu den betroffenen Bürgern bauen? Diese Fragen verdienen eine ganzheitliche Betrachtung – sowohl aus ethischer und kommunikativer als auch aus technologischer und praktischer Perspektive.

Ein neuer Diskurs: Von der Streitkultur zur Konfliktlösung

In den letzten Jahren ist eine zunehmende Verschärfung dieser Konflikte zu beobachten. Streit zwischen Bauherren, Kommunen und Bürgern sind nicht neu, aber was früher in geordneten Bahnen verlief, wird zunehmend emotionalisiert. Die Verbreitung von Fake News, irreführenden Narrativen und gezielter Desinformation verschärft diese Situation. Falschinformationen – sei es über angebliche Umweltzerstörung oder exorbitante Baukosten – verunsichern die Bürger und erschweren eine sachliche Diskussion oder machen sie gänzlich unmöglich. Schon manches Bauprojekt ist durch eine toxische Mischung aus Falschinformationen, einer kompromisslosen Bürgerbewegung und mangelndem politischen Rückhalt zu Fall gebracht worden.

Dabei hat die Branche durchaus Fortschritte gemacht, um Streitigkeiten effizienter zu lösen. Mit der „Streitlösungsordnung für das Bauwesen“ (SL Bau) von 2010 wurde ein Rahmen für außergerichtliche Verfahren wie Mediation, Schlichtung, Adjudikation und Schiedsgerichtsbarkeit geschaffen. Die SL Bau regelt dabei den Ablauf klar: Mediation zielt auf eine einvernehmliche Lösung unter Anleitung eines neutralen Dritten ab, während die Schlichtung eine Empfehlung eines unabhängigen Schlichters liefert. Adjudikation ermöglicht schnelle, vorläufige Entscheidungen, und Schiedsgerichtsbarkeit bietet verbindliche Urteile privater Schiedsgerichte. Diese Ansätze sparen Kosten, beschleunigen Lösungen und entlasten die Gerichte. 2020 wurde die Verordnung an aktuelle Branchenbedürfnisse angepasst. Dennoch zeigt sich: Der Ton wird rauer, und die Bereitschaft zum Dialog nimmt ab. Was können wir dagegen tun?

Strategien für einen besseren Dialog

Ein rauer Ton in der Diskussion verlangt Antworten, die klug und konstruktiv sind. Frühzeitige Einbindung ist essenziell, denn Menschen akzeptieren Veränderungen eher, wenn ihre Perspektiven von Anfang an einbezogen werden. Ideenwerkstätten, Umfragen und offene Veranstaltungen schaffen Vertrauen und mildern das Gefühl, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.

Ebenso wichtig ist es, die eigene Position nüchtern zu betrachten: Kritiker mobilisieren oft stärker, da negative Emotionen leichter Resonanz finden. Diese Dynamik anzuerkennen, hilft, gezielt gegenzusteuern, statt darauf zu vertrauen, dass rationale Argumente allein überzeugen. Runde Tische und Workshops sind keine bloßen Gesten, sondern bieten Raum, um Vorbehalte anzuhören und strukturiert zu adressieren. Doch entscheidend ist, durch Mediationsarbeit einen echten Perspektivwechsel zu ermöglichen.

Interessiert an mehr?

Zu den Themen dieses Gastbeitrags gibt es am 11. März 2025 um 13.30 Uhr ein Online-Webinar. Diskutiert werden technische Ansätze wie emissionsarmes Bauen, kommunikative Maßnahmen wie runde Tische und Workshops sowie juristische Lösungswege. Als Experten anwesend sind Stefan Anderl (Geschäftsführer Elk Tech), Prof. Dr. Winfried Schwatlo (Mediationsexperte) und Dirk Völkering (RKW Architekten+).

Weitere Informationen und Anmeldung

Dies erfordert die Einhaltung klarer Prinzipien: Der Mediator schafft einen Raum, in dem alle Parteien Gehör finden. Der Prozess bleibt freiwillig. Während der Mediator den Verlauf lenkt, bleibt er inhaltlich neutral und unterstützt eigenverantwortliche Lösungen. Ein Paradebeispiel lieferte Heiner Geißler bei Stuttgart 21: Mit Offenheit und absoluter Transparenz inklusive Live-TV-Übertragungen der Verhandlungen gelang es ihm, verhärtete Fronten aufzubrechen und Vertrauen wiederherzustellen. Sein Ansatz zeigt, wie Mediation auch bei konfliktreichen Großprojekten zu tragfähigen Lösungen führen kann.

Mehr Akzeptanz durch greifbare Geschichten und sichtbaren Mehrwert

Porträt Stefan Anderl
Gastautor Stefan Anderl (Quelle: ELK TECH)

Auch der gezielte Einsatz von Social Media kann entscheidend dazu beitragen Vorbehalte abzubauen. Zielgruppenrelevante Plattformen oder lokale Newsblogs bieten Raum, um emotionale und positive Geschichten rund um das Bauprojekt zu verbreiten. Porträts von Familien, die auf bezahlbaren Wohnraum hoffen, oder Beispiele, wie ähnliche Projekte die Lebensqualität verbessert haben, schaffen Identifikation. Auch Nachhaltigkeitsnarrative, die den ressourcenschonenden Charakter der Nachverdichtung betonen, können eine breite Zustimmung fördern.

Die visuelle Wirkung von Bauprojekten ist ein weiterer zentraler Hebel. Virtuelle Rundgänge, Simulationen oder die Besichtigung vergleichbarer Projekte helfen, Ängste vor „Verbauung“ durch greifbare Beispiele zu entkräften. Nicht zuletzt erhöht ein klarer Bezug zum Gemeinwohl die Akzeptanz. Neue Grünflächen, bessere Verkehrslösungen oder ein Anteil an sozialem Wohnungsbau bieten einen spürbaren Nutzen für die Gemeinschaft.

Neue Allianzen und der Mut zur Entschleunigung

Um diesen Aspekt zu stärken, ist es wichtig, lokale Bündnisse zu schmieden. Politiker und Unternehmer lassen sich eher gewinnen, wenn der wirtschaftliche und soziale Mehrwert klar vermittelt wird. Die Einbindung regionaler Unternehmen fördert nicht nur Akzeptanz, sondern trägt dazu bei, das Bauvorhaben in bestehende Strukturen zu integrieren.

Ebenso kann die Zusammenarbeit mit unabhängigen Institutionen wie Universitäten oder NGOs dank ihrer Neutralität kritische Stimmen überzeugen und den Prozess glaubwürdiger machen. Manchmal erfordert es jedoch schlichtweg Geduld: Konflikte lassen sich nicht im Eiltempo lösen. Wer den Beteiligten Raum gibt, ihre Bedenken zu verarbeiten, verhindert das Gefühl, überrannt zu werden.

Die Zukunft des Bauens: Schnell, leise, nachhaltig

Eine zentrale Rolle bei der Konfliktvermeidung und -beilegung wird künftig technischen Lösungen wie dem seriellen Holz- oder Stahlmodulbau zukommen. Mit ihnen können Nachverdichtungsprojekte immissions- und emissionsärmer und deutlich schneller fertiggestellt werden. Die Nachbarschaft wird deutlich weniger belastet. Einige Nachverdichtungsprojekte können so abgeschlossen werden, bevor überhaupt Vorbehalte aufkommen können. Auch mittels 3D-Druck können vielleicht in Zukunft Bauteile direkt vor Ort produziert und verarbeitet werden. Diese Effizienzgewinne werden künftig dabei helfen der Kritik an Nachverdichtungsprojekten wirkungsvoll zu begegnen.

Darüber hinaus kann die Aufklärung über die Potenziale der vertikalen Nachverdichtung dazu beitragen, eine offenere Haltung gegenüber solchen Projekten zu schaffen. Wie die Deutschlandstudie der TU Darmstadt zeigt, könnten allein durch die Aufstockung von Wohngebäuden aus den 1950er bis 1990er Jahren bis zu 1,5 Millionen neue Wohneinheiten geschaffen werden. Die 2019 veröffentlichte Studie berücksichtigt erstmals auch die Potenziale innerstädtischer Nichtwohngebäude. Die Ergebnisse zeigen, dass auch Büro-, Verwaltungs- sowie eingeschossige Einzelhandelsimmobilien erhebliche Flächenreserven bieten. Insgesamt ergibt sich ein beeindruckendes Gesamtpotenzial von bis zu 2,7 Millionen Wohnungen. Diese Zahlen verdeutlichen, dass in der vertikalen Verdichtung ein wesentlicher Schlüssel zur Bewältigung der Wohnungsnot liegt.

Dialog und Technologie Hand in Hand

Nachverdichtung ist eine notwendige Antwort auf die Herausforderungen der Wohnungsknappheit. Sie erfordert nicht nur technische Lösungen, sondern auch einen neuen Umgang mit den Betroffenen. Transparenz und offene Kommunikation fördern die Akzeptanz von Bauprojekten und schaffen Vertrauen. Gleichzeitig bietet der serielle Holzbau eine nachhaltige technische Basis, um die Belastungen für Mensch und Umwelt zu minimieren. Durch die Verbindung von Dialog und Technologie entsteht eine Stadtentwicklung, die ökologische, soziale und ökonomische Aspekte vereint. Nachverdichtung wird zur Chance, wenn wir sie als Weg zu nachhaltigem Fortschritt begreifen – nicht als Einschränkung, sondern als Lösung.

Auch interessant:

zuletzt editiert am 26. Mai 2025