Die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft bewertet den Koalitionsvertrag unterschiedlich – zwischen Aufbruchsstimmung, Kritik und klarem Handlungsappell.
Der von CDU, CSU und SPD vorgelegte Koalitionsvertrag hat in der Immobilien- und Wohnungswirtschaft ein geteiltes Echo ausgelöst. Während einige Verbände klare Fortschritte bei Wohnungsbau, Klimaschutz und Investitionsanreizen sehen, äußern andere deutliche Kritik – insbesondere an fehlender Eigentumsförderung und mietrechtlichen Maßnahmen.

Dirk Wohltorf, Präsident des Immobilienverbands Deutschland IVD, sieht das Ziel einer echten Wohnwende verfehlt: „Die von der Immobilienwirtschaft erhoffte Wohnwende bleibt aus. Der große Befreiungsschlag für den Wohnungsneubau und die politische Fokussierung auf mehr Wohneigentum hätte anders verhandelt und vereinbart werden müssen.“
Wohltorf kritisiert insbesondere die geplante Verlängerung der Mietpreisbremse und fehlende Impulse zur Eigentumsbildung: „Wie die vergangenen zehn Jahre seit der Einführung der Mietpreisbremse gezeigt haben, führen Verschärfungen des Mietrechts nicht nur nicht zu einer Beseitigung angespannter Wohnungsmärkte, sondern dämpfen die dringend erforderlichen Bemühungen der Kommunen, ihre Vergabe- und Genehmigungsprozesse zu verbessern.“
Auch Axel Gedaschko, Präsident des GdW, weist auf die Bedeutung der Rahmenbedingungen hin – kommt jedoch zu einer deutlich positiveren Bewertung: „Der Koalitionsvertrag ist ein riesiger Schritt nach vorne und steht für mehr und schnelleren bezahlbaren Wohnraum. Dies begrüßt der GdW ausdrücklich.“
Besonders hebt er den geplanten Investitionsfonds, die Reaktivierung der EH-55-Förderung und den Klimakurs hervor: „Beim Klimaschutz im Bestand durchschlägt der Koalitionsvertrag einen gordischen Knoten, indem er den Fokus von der Energieeffizienz nimmt und die CO₂-Reduktion zur zentralen Steuerungsgröße erklärt. Hierdurch werden sowohl für die Mieter- als auch für die Vermieterseite dramatisch Kosten reduziert.“
„Grundlage für mehr bezahlbaren Wohnraum“
Andreas Breitner, Direktor des VNW, begrüßt den pragmatischen Kurs der neuen Koalition: „Der Koalitionsvertrag ist geeignet, die Grundlage für mehr bezahlbaren Wohnraum zu bilden. Er lässt im Klimaschutz praktische Vernunft walten und dient damit ohne ideologischen Eifer der Sache.“
Er lobt unter anderem die geplante Vereinfachung des Bau-, Planungs- und Umweltrechts sowie die angekündigte Förderung des genossenschaftlichen Wohnens.

Iris Schöberl, Präsidentin des ZIA, betont die Notwendigkeit zügiger Umsetzung, lobt aber ebenfalls zentrale Fortschritte wie die Verwaltungsdigitalisierung oder steuerliche Entlastungen für die Wirtschaft: „Für den Wohnungsbau zählt jeder Tag.“
Gleichzeitig kritisiert sie die Regulierung im Mietrecht: „Eine Verlängerung der Mietpreisbremse schafft keine einzige Wohnung.“
Mit Blick auf Eigentumsförderung bleibt auch der ZIA unzufrieden: „Der ZIA kritisiert, dass sich die Koalitionsparteien nicht zur Senkung der Grunderwerbsteuer geäußert haben.“
Auch der BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen begrüßt zentrale Punkte im Koalitionsvertrag. Präsident Dirk Salewski sieht viele überfällige Maßnahmen nun auf dem Weg: „In dem Koalitionsvertrag sind gute Entscheidungen enthalten, die das Bauen in Deutschland so schneller und damit auch günstiger machen können.“
„Das E beim Gebäudetyp E steht für einfach und auch für endlich“
Besonders hervorgehoben wird das Konzept des Gebäudetyps E und die Abkehr von starren technischen Vorgaben: „Das E beim Gebäudetyp E steht für einfach und auch für endlich. Denn: Die Baustandards sollen endlich vereinfacht werden. Besonders positiv ist, dass das Abweichen von den anerkannten Regeln der Technik künftig keinen Mangel mehr darstellen soll.“
Gleichzeitig warnt Salewski vor den Folgen weiterer Mietregulierungen: „Die Mietpreisbremse lehnen wir ab. Änderungen im Mietrecht dürfen nicht dazu führen, dass der Wohnungsneubau verhindert wird.“ Und betont die Bedeutung des Dialogs: „Nur im Dialog werden wir erfolgreich sein können.“
Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB), würdigt vor allem die klare Struktur im Kabinett und die geplanten Maßnahmen im Infrastrukturbereich: „Wie von uns gefordert, wird es mit einem Bauministerium und einem Verkehrsministerium zwei starke Kabinettressorts für das Bauen in Deutschland.“
Auch er sieht allerdings die Umsetzungsfrage als entscheidend an: „Ein tatsächlicher Bau-Turbo, gerade für die Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum, wird dann zünden, wenn die geplanten Vorhaben mit Entschlossenheit angegangen werden.“
Der HDB fordert daher ein hohes Maß an Transparenz in der Mittelverteilung – als Grundlage für Investitionen und Kapazitätsaufbau in der Bauwirtschaft.
Die Reaktionen zeigen: Der Koalitionsvertrag setzt in vielen Bereichen neue Impulse – etwa beim Klimaschutz, der Baugesetzgebung oder der Finanzierung von Wohnungsbauprojekten. Ob daraus ein echter Schub für die Branche entsteht, wird maßgeblich von der konkreten Umsetzung in den kommenden Monaten abhängen.