Timothy Wright, Head of Investor Relations & Innovation bei Aroundtown
Timothy Wright ist seit rund zehn Jahren Head of Investor Relations bei Aroundtown. (Quelle: Aroundtown)

Management 2025-06-03T09:22:48.302Z „Bestandsimmobilien werden als dynamische Ressource verstanden“

Aroundtown hat mit „ATworld“ ein Tochterunternehmen gegründet, um nicht ausgelastete Flächen als flexible Arbeitsorte zu erschließen. Projektleiter der Plattform Timothy Wright spricht im Interview über multifunktionale Flächennutzung, das Ende monolithischer Immobilien und die Rolle digitaler Plattformen im Bestand. Von Thorsten Schnug

Herr Wright, Leerstand in Hotels, Büros oder Lobbys steht in starkem Kontrast zur hohen Nachfrage nach flexiblen Arbeitsorten. Wo sehen Sie aktuell das größte Potenzial zur Aktivierung solcher Flächen?

Timothy Wright: Die klassische Trennung von Arbeiten, Wohnen und Freizeit verschwimmt zunehmend zugunsten multifunktionaler Nutzungskonzepte. Flächen werden neu gedacht, Gebäude erhalten neue Identitäten – und damit eröffnen sich neue Perspektiven für Investoren, Betreiber und die Stadtgesellschaft. Die durchmischte Nutzung reduziert Pendelverkehr und Energieverbrauch. Gleichzeitig gelten die aufkommenden Mixed-Use-Quartiere als lebendig, sicher und wirtschaftlich resilient. Damit kann die Urbanität und Attraktivität der Standorte gesteigert werden.

Wie bewerten Sie die Rolle des Bestands in einer Branche, die lange stark auf Neubau fokussiert war?

Timothy Wright: Bestandsflächen rücken zunehmend in den Fokus – aus ökologischen und ökonomischen Gründen sowie durch eine veränderte Arbeitswelt und Nutzung müssen die Bereiche der Büro- und Gewerbeimmobilien neu gedacht werden. Während der Neubau häufig mit hohen Kosten, einer negativen CO2-Bilanz und langen Genehmigungsphasen verbunden ist, lassen sich bestehende Immobilien oft kurzfristiger und nachhaltiger transformieren. Für ein Bestandshalterunternehmen wie Aroundtown, dessen Strategie sich immer um die Neupositionierung und Umnutzung bestehender Räume dreht, ist die kontinuierliche Bestandsoptimierung daher ein strategischer Hebel, um sich flexibel an neue Marktanforderungen anzupassen.

Was sind aus Ihrer Sicht die strukturellen Hürden, die einer flexiblen Weiternutzung bestehender Flächen im Weg stehen – sei es baulich, regulatorisch oder wirtschaftlich?

Timothy Wright: Die größte Herausforderung liegt oft nicht im Gebäude selbst, sondern im System drumherum. Regulatorisch werden viele Flächen nach wie vor monofunktional gedacht – mit klaren Nutzungszuweisungen für Büro, Wohnen oder Einzelhandel. Diese Trennung spiegelt jedoch nicht mehr die Realität hybrider Lebens- und Arbeitsformen wider. Hier braucht es skalierbare Modelle, digitale Steuerung und Offenheit gegenüber Mischformen, um die bestehende Substanz zukunftsfähig zu gestalten.

Hotels gelten zunehmend als Transformationsräume – zwischen Gastgewerbe, Arbeit, Wohnen und Community. Was kann der Immobilienmarkt daraus lernen?

Timothy Wright: Hotels zeigen beispielhaft, wie sich Immobilien multiperspektivisch denken und nutzen lassen. Der Immobilienmarkt kann daraus lernen und Nutzungskategorien neu interpretieren: Mit diesem Ansatz können unverwechselbare räumliche Identitäten geschaffen werden. Die Räume werden zu anerkannten, attraktiven Ziele verwandelt und sind damit weit mehr als nur funktionale Immobilien.

Für Eigentümer und Betreiber eröffnen sich dadurch neue Geschäftsmodelle, etwa durch stunden- oder tageweise Vermietung. Mit hybriden Angeboten können die Betreiber gezielt auf sich wechselnde Nutzerbedürfnisse eingehen. Die temporäre Transformation von Hotelbereichen in Arbeitsorte ist dabei ein Beispiel für höhere Flächeneffizienz, Wertschöpfung und Risikodiversifikation innerhalb des Bestands. Derzeit sind Hotellobbys Durchgangsflächen und werden nicht ideal genutzt, obwohl diese Flächen infrastrukturell bereits stark aufgestellt sind – mit Services, Zugänglichkeit, Aufenthaltsqualität. Der Immobilienmarkt sollte diese vorhandene Infrastruktur als plattformfähige Ressource erkennen, die sich modular erweitern lässt. Das führt zu resilienteren Portfolios und einer besseren ESG-Bilanz, da vorhandene Gebäude multifunktional statt monolithisch genutzt werden.

Welche Anforderungen stellen Nutzer heute an hybride Arbeitsumgebungen – und wie sehr unterscheiden sich diese von klassischen Bürokonzepten?

Timothy Wright: Nutzer erwarten heute vor allem Flexibilität, Zugänglichkeit, Aufenthaltsqualität und eine nahtlose digitale Konnektivität („Connect Anytime Anywhere“) sowie ein personalisiertes Markenerlebnis. Räume müssen flexibel verfügbar sein. Klassische Bürokonzepte mit festen Arbeitsplätzen und standardisierten Grundrissen werden diesem Anspruch nicht immer gerecht. Gefragt sind auch modulare, adaptive Lösungen, die sich an individuelle Arbeitsstile und Herausforderungen anpassen lassen.

Hybrides Arbeiten erfordert mehr als nur einen Laptop und WLAN. Nutzer erwarten heute eine Umgebung, die ihnen die Wahl lässt: zwischen Rückzug und Austausch, zwischen digitalem Fokus und analogem Miteinander. Der Arbeitsplatz wird dadurch zu einem Serviceprodukt, das bedarfsgerecht verfügbar sein muss. Dies bedeutet auch, dass unterschiedliche Räume mit unterschiedlicher Ausstattung für die Nutzer attraktiv sein können, je nach Bedarf in der jeweiligen Situation. Für Immobilienunternehmen bedeutet das, Flächen nicht mehr nur zu vermieten, sondern nutzungsfähig zu halten und aktiv zu managen.

Statt neue Flächen zu schaffen, vorhandene Flächen intelligent nutzen: Welche Rolle spielt diese Haltung im Hinblick auf ESG-Kriterien und die Klimabilanz des Sektors?

Timothy Wright: Die Immobilie ist einer der Hebel zur Erreichung der Klimaziele. Neubauten verursachen bereits in der Produktion der Materialien und während der Bauphase hohe Emissionen, während die Bestandsnutzung oft mit deutlich geringerem Energieaufwand einhergeht. Wer es also ernst meint mit ESG, kommt an der Reaktivierung und Optimierung bestehender Flächen nicht vorbei.

Neben der Reduzierung von CO₂ geht es aber auch um soziale Aspekte. Denn intelligente Nutzung heißt auch, Räume zugänglich zu machen – für unterschiedliche Nutzergruppen, für temporäre Formate, für Community-Angebote. Zum Beispiel durch die Förderung einer häufigeren gemeinsamen Nutzung zentraler Dienste (wie Besprechungsräume, Veranstaltungen und Gastgewerbefunktionen) über mehrere Unternehmen innerhalb eines Gebäudes können Eigentümer eine höhere soziale Bindung der Gebäude fördern. Dies führt zu einer positiveren Einstellung der Nutzer zum Gebäude, was wiederum die stabilere Auslastung fördert. Die effiziente Nutzung der Flächen stärkt damit also auch die Gemeinschaftsökosysteme, während sie gleichzeitig positiv auf den CO2-Fußabdruck des Gebäudes und seine ESG-Leistung einzahlen. Durch die Bereitstellung von Arbeitsplätzen in der Nähe der Nutzer werden zudem Fahrtzeiten verkürzt, was ebenfalls soziale und ökologische Vorteile mit sich bringt.

Welche Rolle spielen digitale Plattformen und Services, wenn es darum geht, bestehende Flächen effizienter zugänglich zu machen?

Timothy Wright: Digitale Plattformen sind heute zentral für die flexible Nutzung und effiziente Bewirtschaftung von Flächen. Sie ermöglichen nicht nur die kurzfristige Buchung und Verfügbarkeit, sondern liefern auch datenbasierte Erkenntnisse zur tatsächlichen Nutzung, Auslastung und Performance. Damit schaffen sie die Grundlage, um Räume bedarfsgerecht zu steuern – auch in komplexen, multifunktionalen Nutzungskontexten. Zugleich fungieren sie als Schnittstelle zu ergänzenden Services, etwa zur Integration von Gebäudetechnik, Zugangsmanagement oder Community-Angeboten. Digitale Lösungen senken die Transaktionskosten, erhöhen die Transparenz und erlauben eine skalierbare Nutzung über das gesamte Portfolio hinweg.

Wenn wir zehn Jahre in die Zukunft blicken: Wie wird sich das Verhältnis von Bestand, Nutzung und Funktion in der Immobilienwirtschaft verändert haben – und was ist Ihre Vision für diesen Wandel?

Timothy Wright: In zehn Jahren wird die Immobilienwirtschaft deutlich nutzerzentrierter aufgestellt sein. Bestandsimmobilien werden nicht mehr starr nach ihrer ursprünglichen Funktion bewertet, sondern als dynamische Ressource verstanden, deren Nutzung sich über den Lebenszyklus hinweg mehrfach verändern kann – etwa durch technische Weiterentwicklungen, neue Zielgruppen oder geänderte Mobilitäts- und Arbeitsmuster. Dabei wird sich das Immobilienmanagement viel stärker an der Hotelbranche orientieren und die reine Betrachtung von Quadratmetern wird an Bedeutung verlieren. Stattdessen rückt die Leistungsfähigkeit von Flächen in den Vordergrund – also ihre Fähigkeit, Aufenthaltsqualität, Produktivität, Begegnung und Erleben zu ermöglichen. Die Immobilie wird dadurch zunehmend Teil einer vernetzten urbanen Dienstleistungslandschaft, in der Arbeit, Wohnen und Gemeinschaft nicht mehr getrennt gedacht werden. Unsere Vision ist es, dieses Zusammenspiel durch intelligente Nutzungskonzepte, digitale Steuerung und ein hohes Maß an Flexibilität zu unterstützen. Die zentrale Aufgabe für Immobilienunternehmen wie Aroundtown besteht darin, diese Potenziale frühzeitig zu erkennen, allgemein zugänglich zu machen und langfristig nachhaltig zu gestalten.

Das Gespräch führte Thorsten Schnug.

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zuletzt editiert am 04. Juni 2025