Bagger-Spielfigur auf "Los"-Feld eines Monopoly-Spielbretts.
Zurück auf Los? Helge Scheunemann mit einer Einschätzung zum immobilienwirtschaftlichen Jahr 2024. (Quelle: Pixabay)

Standorte & Märkte 2024-02-20T13:29:04.036Z „Zurück auf Los“ – Immobilienmärkte vor der Trendwende?

Der Rückblick auf das Jahr 2023 fällt aus immobilienwirtschaftlicher Sicht in weiten Teilen katastrophal aus. Wird der Tiefpunkt in diesem Jahr überwunden? Von Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany

Stehen die Immobilienmärkte vor der Trendwende? Zumindest zeigen einige Indikatoren bereits zum Ende 2023 ein etwas aufgehelltes Bild. Dazu zählen der Rückgang der Inflation und im Zuge dessen eine deutliche Verbesserung der Zinskonditionen, ein leicht erhöhtes Interesse an Immobilien als Investitionsanlage sowie eine Stabilisierung der Nutzernachfrage für die wesentlichen Assetklassen Büro, Logistik und Einzelhandel. Dennoch: Wenn wir uns auf dem „Los-Feld“ mit einer Schubkarre als Spielstein positionieren, dann wiegt diese sehr schwer und wir übernehmen eins zu eins das Gepäck aus 2023 mit in das neue Jahr.

Dazu gehören neben der bereits angesprochenen Inflation beziehungsweise der Kostenbelastung für Haushalte und Unternehmen zahlreiche politische Themen. Gefühlt hangeln wir uns von Streik zu Streik, die Bundesregierung vergaloppiert sich in unendlichen internen Querelen, der Wohnungsbau stockt, die Konjunktur schrammt nur knapp an einer Rezession vorbei und die Diskussionen um die Zukunft des Standorts Deutschland nehmen insbesondere in der gewerblichen Industrie an Breite zu.

Wirtschaftliches Umfeld mit negativen Vorzeichen

Über all dem schwelen rund um den Globus Konflikte oder kriegerische Auseinandersetzungen, die jedes für sich das Potenzial haben, einen größeren Flächenbrand auszulösen. Das alles liegt wie Blei auf der Stimmung, birgt enormen sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sprengstoff und setzt den leider negativen Rahmen für dieses Jahr.

Auch im aktuellen Ifo-Index wird diese Stimmungslage deutlich. Der Index sank im Januar auf den tiefsten Stand seit Mai 2020, vor allem die Wirtschaftspolitik wird von den befragten Unternehmen als Grund genannt. Die Unsicherheit bleibt also auch 2024 hoch und die konjunkturelle Lage damit volatil. Immerhin sollte eine Rezession vermieden werden können: Laut Consensus Forecast dürfte das Bruttoinlandsprodukt um 0,3 Prozent steigen, mit etwas stärkeren Impulsen ab der zweiten Jahreshälfte.

Zinssenkungen kommen, aber frühestens in der zweiten Jahreshälfte

Der wesentliche Indikator, auf den die Akteure insbesondere aus der Immobilienwirtschaft schauen, ist allerdings der Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Finanzmärkte haben nicht nur ein Ende des Zinserhöhungszyklus bereits eingepreist, sie gehen davon aus, dass sowohl die US-Notenbank FED als auch die EZB die Zinsen um jeweils rund 100 Basispunkte in mehreren Schritten senken werden. Gleichwohl gilt nach wie vor, dass die Rhetorik der Zentralbanken ein solches optimistisches Zinsszenario noch nicht unterstützt.

Wir gehen davon aus, dass ein erster Zinsschritt nicht vor Juni/Juli erfolgen wird. Zu robust erweist sich noch die Konjunktur und vor allem zeigen sich die Arbeitsmärkte bislang kaum belastet. Das Hauptaugenmerk der Währungshüter richtet sich insofern auf eine mögliche Lohn-Preis-Spirale, angetrieben durch signifikante Lohnsteigerungen. Weiterhin im Fokus der Zentralbanken bleiben auch die kriegerischen Auseinandersetzungen. Nach Einschätzungen von Wirtschaftsinstituten kann zum Beispiel allein die Krise am Suez-Kanal für einen Anstieg der Kerninflation um bis zu 0,4 Prozentpunkte in Europa sorgen. Und dennoch: Der Zinstrend zeigt 2024 eindeutig nach unten. Das bedeutet ein vorhersehbareres Umfeld für fremdkapitalintensive Branchen und Sektoren als mindestens in den vergangenen zwei Jahren.

2024 wird es wieder mehr Immobilientransaktionen geben

Und eine solche Entwicklung ist auch das Basisszenario für den Investmentmarkt: Es kann und es wird wieder mehr Transaktionen geben. Zum Jahresabschluss 2023 summierte sich das Transaktionsvolumen in Deutschland auf insgesamt 31,7 Milliarden Euro, ein Minus von 52 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ein Lichtblick: Mit knapp 8,8 Milliarden Euro war das vierte Quartal immerhin auch das transaktionsstärkste. Für 2024 ist ein Transaktionsplus von rund 35 Prozent im Vergleich zu 2023 realistisch. In dieser Prognose enthalten ist auch eine Rückkehr institutioneller Investoren, die nahezu das gesamte letzte Jahr im Beobachtungsmodus operiert haben. Eine Rückkehr dieser Käufergruppe gilt allein schon deshalb als wahrscheinlich, weil in den letzten Wochen die Renditen von Staatsanleihen stark gesunken und bei realer Betrachtung – also nach Abzug der Inflation - erneut in den negativen Bereich zurückgefallen sind.

Investoren werden sich nach wie vor stark auf die Assetklassen Living und Logistik fokussieren, Büroimmobilien bleiben herausfordernd. Angesichts der bisher erfolgten Preisrückgänge ergeben sich aber auch hier einige Opportunitäten, vorzugsweise in den sieben Immobilienhochburgen. Die Breite der Investitionen wird zunehmen, so gewinnen zum Beispiel Life-Science-Immobilien (Laborflächen) oder Rechenzentren an Aufmerksamkeit. Aufgrund der niedrigeren Volumina fungieren sie aber letztlich immer als eine Beimischung in einem insgesamt diversifizierten Portfolio.

Auch für den Einzelhandel sehen wir ein steigendes Transaktionsvolumen. Die strukturellen Probleme sind zum Teil überwunden, bei E-Commerce wachsen die Bäume auch nicht in den Himmel und die Nachfrage nach physischen Ladenflächen steigt wieder an.

Zinsentwicklung erhöht Attraktivität von Immobilieninvestitionen 

Kommt mit dem neuen Jahr also auch ein neuer Zyklus? Zumindest der Blick auf die Finanzmärkte und die Zinsentwicklung der letzten Wochen des Jahres 2023 könnte darauf hindeuten, dass ein Wendepunkt erreicht ist. Finanzierungskonditionen gemessen an den fünfjährigen Swap-Raten lagen zum Ende des vierten Quartals bei leicht über 2,4 Prozent – ein Rückgang um mehr als 100 Basispunkte innerhalb von zwei Monaten und der niedrigste Stand seit September 2022. Dadurch gibt es erstmals seit Anfang 2022 auch wieder einen kleinen positiven Leverage-Effekt. Ähnliches gilt für die Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen. Diese könnte sich bis Ende 2024 auf rund 2,1 Prozent einpendeln, sodass sich zum einen der Renditespread zu Immobilien wieder deutlich auf über 200 Basispunkte ausweitet und zum anderen die reale Anleiheverzinsung negativ bleibt.

Hinzu kommt, dass opportunistisch agierende Fonds viel Geld eingesammelt haben und diese langsam unter Druck geraten, das Kapital zu investieren. Das weltweite Anlagekapital ist 2023 zwar um 16 Prozent gesunken, allerdings von historischen Höchstständen aus gesehen und insgesamt stehen über 400 Milliarden USD für Investments in Immobilien bereit. Ob die erwarteten Renditen auch erzielt werden können, bleibt abzuwarten. Zumindest zielt das eingesammelte Kapital zu 65 Prozent auf ertragsstärkere Strategien wie Value-add oder opportunistisch ab. Immobilieninvestoren sollten dabei denjenigen Sektoren und Regionen Priorität einräumen, in denen die Werte bereits entsprechend nachgegeben haben und wo die Mietwachstumsprognosen mit größter Zuversicht gewährleistet werden können.

Wie 2023 wird es auch 2024 ein Mietwachstum geben – trotz Nachfrageschwäche. Hier kommen verschiedene Effekte zusammen: Zum einen treibt die allgemeine Preissteigerung die Mieten, vor allem dann, wenn diese über Indexklauseln vertraglich an die Inflation angepasst sind. Genauso verhält es sich mit den gestiegenen Baukosten, die sowohl für Neubau als auch für Sanierungen höhere Mieten erforderlich machen. Zum anderen sehen wir einen Trend der Unternehmen nach qualitativ hochwertigen und ESG-konformen Flächen. Für diese sind die Nutzer dann auch bereit, höhere Mietpreise zu zahlen. Und genau dieses nachgefragte Segment steht nicht in dem Maße zur Verfügung und schränkt so das Angebot für flächensuchende Unternehmen ein. Das gilt im Prinzip für alle Assetklassen. Dieser Angebotsmangel wird sich fortsetzen, weil Entwickler ihre geplanten Projekte entweder zeitlich verschieben oder ganz stoppen oder weil die Entwickler selbst in eine Schieflage oder eine Insolvenz geraten sind.

Investorenfokus richtet sich auf Bestandsimmobilien

Je mehr der Neubau stockt, umso wichtiger sind Investitionen in den Bestand. Und hier zeichnet sich ein durchaus positives Bild ab. Der Anteil von umfassenden Sanierungen an allen laufenden Projektenwicklungen im Bürosektor steigt in diesem Jahr auf voraussichtlich 27 Prozent und 2025 auf sogar 30 Prozent. Im Schnitt der vergangenen fünf Jahre beträgt die Quote nur zwölf Prozent. Auch sind solche Sanierungen deutlich weniger von Verschiebungen oder Baustopps betroffen als reine Neubauprojekte.

Klar ist: Wir brauchen viel mehr Investitionen in vorhandene Bestandsimmobilien auf dem Weg zu mehr Klimaneutralität. Wir sehen schon jetzt eine eklatante Angebotslücke zwischen der Nachfrage von Unternehmen, die sich zu ESG-Zielen verpflichtet haben und den verfügbaren Immobilien. Bei all dem könnte man einwenden, es werden doch immer weniger Büroflächen benötigt, weil die Beschäftigten eh remote arbeiten wollen. Diesen Trend sehen wir aktuell kippen und immer mehr Unternehmen „delegieren“ ihre Mitarbeiter zurück ins Büro. Es wird zwar keine Belegungsquoten von einhundert Prozent geben - die gab es im Übrigen auch vor Corona nicht -, aber die aktuelle Return-to-Office-Rate von rund 80 Prozent wird ansteigen.

2024 wird das Jahr der Chancen

Ohne Frage, auch 2024 wird ein herausforderndes Immobilienjahr. Uns steht ein Superwahljahr mit Wahlen in 76 Ländern mit einer Gesamtbevölkerung von 4,2 Milliarden Menschen bevor. Die Ausgänge dieser Wahlen (besonders in den USA) können die Rahmenbedingungen zum Beispiel für den gemeinsamen Handel spürbar verändern. Und auch mit Blick auf die Zinsentwicklung gibt es keine Garantien, dass das wahrscheinlichste Szenario sinkender Zinsen eintritt, sodass die Investmentmärkte länger im Pausenmodus verharren könnten als derzeit erwartet. Aber es gibt Lichtblicke und mit der zurückerlangten stabileren Finanzpolitik sollte es Opportunitäten für Investoren geben, besonders ab der zweiten Jahreshälfte. Chancen gilt es zu nutzen und eines ist klar: Das seit der letzten Expo Real durch die Lande geisternde Motto „Survive ‘til 25“ sollte für die Immobilienwirtschaft keine Option darstellen.

Ein Beitrag von Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany.

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zuletzt editiert am 20. Februar 2024