Porträt René Schumann
René Schumann ist Gründer des Beratungsunternehmens Negotiation Advisory. (Quelle: Negotiation Advisory Group)

Investment 2024-12-10T12:04:03.114Z Kommentar: Verhandlungen wie auf dem Basar

Nach der tiefen Krise der Immobilienwirtschaft sehen erste Investoren die gefallenen Preise als Einstiegschance. Doch die Verhandlungen zwischen den Beteiligten verlaufen häufig unprofessionell – ein Fall für den Verhandlungscoach, meint René Schumann, Gründer der Negotiation Advisory Group.

Im Großraum Duisburg steht ein Gewerbepark zum Verkauf, 15.000 Quadratmeter mit Lager- und Logistikflächen, die zu 70 Prozent vermietet sind. Ein potenzieller Käufer hat schon Interesse bekundet. Er rechnet mit einer hohen Wertsteigerung in den nächsten zwei Jahrzehnten, da Duisburg ein florierender Logistikknotenpunkt ist. Der Verkäufer bietet das Objekt zu einem Quadratmeterpreis von 480 Euro an, also 7,2 Millionen Euro, dazu kommen noch Nebenkosten in Höhe von 1,12 Millionen, sodass die Gesamtkosten der Investition sich auf etwas mehr als acht Millionen Euro belaufen.

Die Bau- und Immobilienwirtschaft hat sich noch nicht von der tiefen Krise erholt. Bau- und Projektentwickler haben gewaltige Absatzprobleme. Die Zahl der insolventen Projekte und Bauentwickler steigt immer noch. Nach einer Umfrage erwarten 78 Prozent der befragten Bankmanager in Deutschland in den kommenden 18 Monaten eine weitere Zunahme notleidender Immobilienkredite.

Doch inzwischen sehen etliche Investoren die gefallenen Immobilienpreise als Chance. Die spektakulären Deals des Logistik-Milliardärs Klaus-Michael Kühne oder der Hexal-Gründer Andreas und Thomas Strüngmann, die in diesem Jahr Wohnungen und Gewerbeflächen für dreistellige Millionenbeträge erworben haben, sind nur die Spitze des Eisbergs. Viele Deals gelangen erst gar nicht an die Öffentlichkeit.

Verhandlungen bei Immobilien-Deals ultrakomplex

Die Verhandlungen zwischen Immobilienverkäufer und -käufer über Kaufpreis und Konditionen, mit Banken, Investoren oder privaten Kapitalgebern über die Finanzierung laufen meist ab wie auf einem orientalischen Basar. Verhandelt wird eher hemdsärmelig, ohne Strategie, ohne klare Ziele und ohne eine Monetarisierung der Optionen. Es fehlt, anders als in Branchen wie Automotive oder Handel, an professioneller Verhandlungsexpertise.

Dabei wäre diese gerade in bei Immobiliendeals notwendig, da die Verhandlungen gleichzeitig auf mehreren Feldern stattfinden. Das erste Feld ist die Verhandlung zwischen Verkäufer und Käufer. Das zweite die Verhandlungen des Käufers mit den Banken über die Finanzierung des Kaufs. Das dritte Feld, vom Ausgang auf dem zweiten abhängig, die Verhandlung mit Risikokapitalgebern über die restliche Finanzierung. Ein Immobiliendeal ist also sehr komplex aufgrund der Vielzahl der teilnehmenden Parteien und der Variablen, die gleichzeitig verhandelt werden müssen. Die Verhandlungen auf diesen drei Feldern müssen professionell koordiniert und synchronisiert werden. Weil der interessierte Käufer in dem eingangs erwähnten Fall sich darüber bewusst war und er die Verhandlungen schnell zum Erfolg bringen wollte – es gab noch weitere Interessenten –, engagierte er uns als Verhandlungscoach.

Verhandlungsfeld 1: Verkäufer – Käufer

Der Verkäufer hatte ein vertrauliches Exposé mit einer Geheimhaltungsvereinbarung an diverse Interessenten verteilt. Diese erhielten einen Zugang zu einem Datenraum mit den wesentlichen Informationen zum Objekt: Mietverträge mit den Mietern, Gutachten, unter anderem zur Bodenqualität, ein im Ruhrgebiet sensibles Thema, Grundbucheintragungen, Energieausweise der einzelnen Objekte und anderes mehr. Auf dieser Basis erarbeiteten die potenziellen Käufer ihr Angebot.

In diesem Fall hatte der Verkäufer eine starke Ausgangsposition, weil es mehrere Interessenten für das Objekt gab. Sein Ziel war deshalb, alle Bieter in ein auktionsähnliches Bieterverfahren zu bringen. Ziel des von uns beratenen Käufers war demgegenüber, es gar nicht erst zu einer solchen Auktion kommen zu lassen, die den Preis des Objekts hochgetickert hätte.

Verhandlungsfeld 2: Käufer – Banken

Spätestens jetzt, bei der Vorlage eines Angebots, muss der Käufer von seinen Banken wissen, ob sie ihm prinzipiell eine Finanzierungszusage geben, natürlich unter der Voraussetzung, dass die Gutachten korrekt sind und weitere Variablen passen. In diesem Fall hatte der Käufer bei insgesamt 15 Banken angefragt, mit denen er häufiger oder punktuell bei Immobiliendeals zusammenarbeitet. Drei zeigten sich interessiert, den Kauf zu begleiten.

In der Größenordnung dieses Deals finden sich Banken jedoch nur ungern zu einem Konsortium zusammen, da dann ein Gerangel darüber entsteht, welche Bank im Grundbuch auf Platz 1, welche auf Platz 2 und so weiter steht, falls es zu einem Zahlungsausfall kommt. In diesem Fall ging es um eine Bankenfinanzierung in Höhe von 80 Prozent der Gesamtinvestitionskosten – höher gehen die Banken bei Immobilien in der Regel nicht.

Verhandlungsfeld 3: Käufer – Risikokapitalgeber

Zeitlich parallel musste deshalb die Frage geklärt werden, wer als Risikokapitalgeber für die restlichen 20 Prozent in Frage kommt. Die meisten Betreiber von Gewerbeparks versuchen, das Projekt ohne Eigenkapital zu realisieren, nur selten gehen sie mit Eigenkapital in den Deal. Während die Verhandlungen mit den Banken über Konditionen und Sicherheiten von diesen in strukturierten, aber äußerst langsamen Prozessen vonstattengehen, verlaufen die Verhandlungen mit den Risikokapitalgebern über Konditionen und Sicherheiten eher hemdsärmelig, es ist ein bisschen wie im „Wilden Westen“.

Die Rolle der Gutachter

Alle Beteiligten sichern ihre Verhandlungsposition durch Gutachten ab. Der Verkäufer legt Gutachten über den Verkehrswert vor, der Käufer erstellt sein Angebot auf Basis eines Gutachtens. Auch die Banken lassen sich die Werthaltigkeit des Objekts bescheinigen. Aus Verhandlungstheoretischer Sicht haben die Gutachten vor allem die Funktion, den von der jeweiligen Partei aufgerufenen Ankerpreis zu begründen. Der höchste Wert findet sich naturgemäß im Verkäufergutachten, der Wert im Bankengutachten ist tendenziell so, dass der Beleihungswert unter dem Verkaufspreis liegt. Und der Käufer lässt sich in seinem Gutachten die Punkte bescheinigen, die mindernd auf den Kaufpreis wirken sollen.

So ist beim Wert des Objektes zwischen den einzelnen Gutachten ein Spread von 30 bis 40 Prozent möglich. Der angenommene Wert hängt zudem auch von den Unterlagen ab, die dem Gutachter zur Verfügung gestellt werden. Und ob im Gutachten nur der materielle Ist-Zustand mit allen Risiken bewertet oder der Wert durch eine Storyline unterfüttert wird, die stärker die positiven Perspektiven des Objekts herausstellt.

Fazit: Erfolgreiches Verhandlungsergebnis

Wie berichtet, war unser Klient an einem schnellen Ergebnis und dem Vermeiden der von dem Verkäufer ins Spiel gebrachten Auktion interessiert. Die Strategie war deshalb, dem Verkäufer ein attraktives, aber konditioniertes, befristetes Angebot vorzulegen: Sollte es doch zu einem Bieterverfahren mit anderen Kaufinteressenten kommen, würde er sich sofort aus dem Prozess zurückziehen.

Das Angebot hat der Verkäufer akzeptiert, das Objekt ging zu einem Gesamtpreis von 7,2 Millionen Euro über den Tisch. Davon finanzierte eine Bank 80 Prozent zu einem variablen Zinssatz für zehn Jahre. Bestandteil des Kaufvertrags war zudem ein Verkäuferdarlehen in Höhe von 20 Prozent für fünf Jahre mit marktkonformer Verzinsung, so dass der Käufer keinen Risikokapitalgeber einschalten musste. Solche Verkäuferdarlehen sind bei solchen Projekten nicht unüblich und weisen auf ein bestehendes Vertrauensverhältnis zwischen Verkäufer und Käufer hin.

Ein Beitrag von René Schumann, Gründer der Negotiation Advisory Group.

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zuletzt editiert am 10. Dezember 2024