Aygül Özkan vom ZIA
"Digitalisierung ist in der Branche angekommen", Aygül Özkan stellvertretende ZIA-Hauptgeschäftsführerin des ZIA (Quelle: Dennis Williamson)

Digitalisierung

5. September 2022 | Teilen auf:

Immobilienbranche schaltet den Turbo ein

Digitalisierung wird in der Immobilienbranche lt. Studie von ZIA und EY Real Estate immer ernster genommen – auch finanziell.

Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) untersuchte gemeinsam mit EY Real Estate wieder die Digitalisierung in der Immobilienbranche. Bereits zum siebten Mal wurden dafür über 250 Immobilienexpertinnen und -experten befragt. Das Ergebnis: Über die Hälfte der Teilnehmenden sehen sich bereits in einer fortgeschrittenen Phase der Digitalisierung und die Anzahl der Unternehmen, die mehr als 20 Prozent ihres Umsatzes in die digitale Transformation investieren, hat sich gegenüber dem Vorjahr mehr als verdreifacht (insgesamt 10 Prozent).

Hauptknackpunkt Datenqualität

Egal mit welchem Marktteilnehmer man derzeit spricht, die Datenqualität und -bereitstellung ist einer der Hauptknackpunkte. 67 Prozent der Beteiligten sieht dies als größtes Manke. Das sind sogar nochmal 2 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.

„Die Digitalisierungsstudie zeigt: Dieses Schlüsselthema der Transformation ist auf breiter Front in der Immobilienwirtschaft angekommen. Digitalisierung hat für die Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer buchstäblich einen hohen Wert. Umso schmerzhafter ist es da, dass sie Mängel bei der Datenqualität und der Datentransparenz als Fortschrittsbremse erleben“, kommentiert Aygül Özkan, stellvertretende ZIA-Hauptgeschäftsführerin, die Ergebnisse. Auch die Branche selbst müsse hier „unbedingt am Ball bleiben“, so Özkan. Ein Teil der Probleme resultiere aus mangelnder politischer Bewegung. „Manche Hürden, die echter Vernetzung im Wege stehen, sind geradezu chronisch. Deshalb ist es entscheidend, dass den vielversprechenden Zusagen der Bundesregierung in der neuen Digitalstrategie jetzt ohne Verzögerung Taten folgen.“

Ende August hatte das Kabinett die überarbeitete Digitalstrategie auf den Weg gebracht. Zusage: Es werde bis 2025 „ein moderner Rechtsrahmen für die erfolgreiche Entwicklung der Datenökonomie und die verbesserte Nutzung von Daten durch vernetzte Datenräume“ geschaffen.

„Mit Blick auf die Immobilienbranche zeigt sich, dass zuletzt viele Akteurinnen und Akteure ihre Selbstwahrnehmung kritisch überprüfen mussten, denn mit dem Voranschreiten der Digitalisierung werden auch Defizite offensichtlicher. Die Branche scheint sich allerdings gefangen und die Weichen neu gestellt zu haben“, ergänzt Dr. Alexander Hellmuth, Partner bei EY Real Estate und Autor der Studie. „In den Fokus rücken dabei richtigerweise Herausforderungen interner Natur – von Datenstruktur über Datenqualität bis hin zur Modernisierung veralteter Software.“

Datenteilung? Jein.

Die Immobilienwirtschaft leidet – nach Einschätzung von 94 Prozent der Befragten – unter einer hohen Zahl an Datensilos. Die Bereitschaft zum Datenteilen mit anderen Akteurinnen und Akteuren ist groß – zum Beispiel mit Kunden (Zustimmung 82 Prozent), mit Versorgern (80 Prozent), Technologieanbietern (79 Prozent) und der öffentlichen Hand (75 Prozent). Zugleich zeigt sich in der Gesamtschau, dass es insbesondere in einem Feld vielfach Vorbehalte gibt: Fast zwei Drittel (64 Prozent) möchten ihre Daten nicht mit Wettbewerben teilen. „Hier muss es uns gelingen, durch sorgsamen Schutz individueller Geschäftsinteressen, den großen Mehrwert des Datenteilens besser auszuschöpfen“, erklärt Aygül Özkan. „Dann kann die Digitalisierung verstärkt zu einer großen Win-Win-Chance für die gesamte Branche werden.“

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Mit zunehmender Digitalisierung wachsen potenziell auch die Gefahren durch Cyberangriffe. Mittlerweile nehmen 57 Prozent der Unternehmen einen Anstieg von Cyberangriffen wahr. Zugleich fühlen sich Unternehmen der Immobilienwirtschaft hier größtenteils gut gewappnet (82 Prozent). 93 Prozent der Unternehmen verstehen dabei Cybersecurity als Teil ihrer Digitalstrategie.

Digitale Quartiere als Chancenfeld der Zukunft

Schwerpunktthema der diesjährigen Digitalisierungsstudie ist das digitale Quartier. Eine überwältigende Mehrheit (über 92 Prozent) der Befragten erwartet vom digitalen Quartier Antworten auf aktuelle Schlüsselaufgaben wie lebenswerte Innenstädte, Klimaschutz und Mobilitätswende (92 Prozent). Smart Metering, E-Mobilität und das digitale Mieterportal gelten dabei als wichtige Instrumente. Eine deutliche Divergenz zeigt sich hier zwischen den ausgemachten Chancen des digitalen Quartiers und der Investitionsbereitschaft: 80 Prozent attestieren eine zu geringe Investitionsbereitschaft. Auch eine lückenhafte IT-Infrastruktur (79 Prozent) und zu gering ausgeprägte Kooperationsbereitschaft zwischen verschiedenen Anbietern im digitalen Quartier (73 Prozent) werden als wichtige Herausforderungen ausgemacht.

„Während die Zustimmungswerte zum digitalen Quartier sehr hoch sind, insbesondere zu einzelnen Funktionalitäten, hapert es auch hier noch an der Bereitschaft, Daten zu teilen“, sagt Hellmuth. Gerade durch die daraus erwachsende Vernetzung könnten digitale Quartiere überhaupt erst ihr Potenzial entfalten.

„Es gibt keine Alternative zum digitalen Quartier. Unsere Branche muss der Gesellschaft folgen und einen Takt vorgeben“, betont Martin Rodeck, Vorsitzender des Innovation Think Tank beim ZIA. „Das Quartiersdenken ist tief in unserer DNA verankert.“ Wenn ein Quartier Möglichkeiten zum Wohnen, Arbeiten und Versorgen biete, bedeute das auch besonderen Anreiz für Mieterinnen und Mieter. „Wir stehen bei der Schaffung intelligenter Quartiere noch ganz am Anfang. Viele Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer machen sich erst einmal damit vertraut“, kommentiert Özkan die Studienergebnisse zum digitalen Quartier. „Die Stadt der kurzen Wege ist ökologisch wie sozial ein Fortschritts-Booster. Der ZIA wird in der Mitgliedschaft und in der Politik verstärkt für intelligente digitale Quartierslösungen werben.“ Der Mehrwert für die Branche und die gesamte Gesellschaft sei offenkundig.

zuletzt editiert am 05.09.2022