Kühltechnik, PV und Ladeinfrastruktur: Fachmärkte bieten besondere ESG-Potenziale – vor allem bei der technischen Gebäudeausstattung. Von Lucas Wilbers
Lange Zeit zählten Fachmärkte zu einer weniger beachteten Assetklasse der Immobilienwirtschaft. Spätestens seit der Corona-Pandemie hat sich diese Wahrnehmung bei institutionellen Investoren jedoch geändert. Denn in den vergangenen Jahren hat das Segment seine Stabilität und Widerstandsfähigkeit unter Beweis gestellt.

Auch in puncto ESG zeigen sich fachmarktspezifische Besonderheiten: Anders als bei Büro- oder Wohnimmobilien liegt das Potenzial zur Dekarbonisierung vor allem in der Gebäudetechnik. Besonders relevant sind dabei Kühlanlagen in Kombination mit modernen Heizungs- und Lüftungssystemen. Lebensmittelmärkte haben einen konstant hohen Energiebedarf, der sich nutzungsbedingt nur begrenzt reduzieren lässt. Kühltechnik ist dabei der dominierende Verbraucher. Kommen Systeme mit Wärmerückgewinnung zum Einsatz, lässt sich bis zu 70 Prozent des Wärmebedarfs aus dem laufenden Betrieb decken – was den zusätzlichen Heizaufwand deutlich verringert und eine kleinere Dimensionierung der Heiztechnik ermöglicht.
Dach statt Dämmung: Grenzen und Chancen der Bauweise
Fachmärkte sind in der Regel eingeschossige Gewerbebauten mit großflächigen Verkaufs- und Lagerbereichen – häufig in einfacher Bauweise errichtet. In energetischer Hinsicht bieten sie daher begrenzte Möglichkeiten für Effizienzsteigerungen durch Hüllensanierung. Fassaden- und Dachdämmungen spielen nur eine untergeordnete Rolle, da Aufwand und Kosten in keinem angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen – auch unter Berücksichtigung von Förderprogrammen.
Anders stellt sich die Situation bei den Dachflächen dar: Diese bieten oft ein erhebliches Potenzial für Photovoltaik. Voraussetzung ist, dass Tragfähigkeit und Wirtschaftlichkeit stimmen. In diesem Fall können die Flächen für die Stromproduktion genutzt werden – mit direkter Versorgung der Mieter vor Ort. Dadurch lassen sich Emissionen reduzieren, Betriebskosten senken und ein Beitrag zur energetischen Eigenversorgung leisten.
Projektumsetzung: Kooperation und Objektprüfung erforderlich
Da Kälte- und Kühltechnik in der Regel in Mieterhand liegt, setzen energetische Maßnahmen im Bestand eine enge Abstimmung zwischen Vermietern und Mietern voraus. Auch bei Photovoltaikanlagen oder Ladeinfrastruktur ist die technische Komplexität hoch. Projektlaufzeiten von bis zu drei Jahren – von der Erstplanung über Netzanschlussverfahren bis zur Inbetriebnahme – sind keine Ausnahme. Entscheidend ist dabei die Koordination zwischen Eigentümern, Mietern, Fachplanern und Behörden.
Grundsätzlich lassen sich über Rahmenverträge mit spezialisierten Dienstleistern auch portfolioübergreifende ESG-Strategien umsetzen. Dennoch ist eine Prüfung auf Objektebene meist unverzichtbar, da Fachmärkte hinsichtlich Bauweise, Technik und Nutzungsprofil stark variieren. Kooperationen mit Drittanbietern, etwa für Photovoltaik oder Ladeinfrastruktur, können Umsetzung und Betrieb erleichtern – etwa durch Übernahme von Planung, Finanzierung und Betrieb durch externe Partner.
ESG als Werttreiber – auch im Fachmarktsegment
Die Umsetzung technischer ESG-Maßnahmen in Fachmarktzentren führt nicht zwangsläufig zu einer direkten Renditesteigerung. Mittel- bis langfristig können sie jedoch zur nachhaltigen Wertentwicklung beitragen. Einschätzungen zufolge ist – je nach Standort und Maßnahmenumfang – ein ESG-bedingter Wertzuwachs von bis zu zwei Faktoren im Verkaufsmultiplikator möglich.
Auch aus mieterseitiger Sicht wächst das Interesse an ESG-konformen Flächen. Bei Verlängerungen bestehender Verträge oder Neuvermietungen spielen entsprechende Standards zunehmend eine Rolle. Eigentümer, die über das technische Know-how und umgesetzte Referenzobjekte verfügen, verbessern ihre Position im Wettbewerb um Mieter und Kapital.
Ein Beitrag von Lucas Wilbers, Head of Asset Management RWP, Redevco DACH.