Haifisch von unten betrachtet
Gierige Geldhaie oder Förderer von Sanierungen? Der Blick auf Finanzinvestoren auf dem Wohnungsmarkt ist höchst unterschiedlich. (Quelle: Anton Chernyavskiy/Unsplash)

Investment 2023-07-03T11:05:34.898Z Finanzinvestoren auf dem Wohnungsmarkt

Großinvestoren kaufen Wohnungen. Das IW Köln und andere haben untersucht, welche Auswirkungen dies auf Mieter und Märkte in Berlin und anderswo hat.

In den vergangenen zehn Jahren haben Finanzinvestoren den Wohnungsmarkt entdeckt. Egal ob in Madrid, Miami oder Berlin: Überall sind sie aktiv, und überall werden sie kritisch beäugt. Das IW Institut der deutschen Wirtschaft meint: Es wäre unfair und ungerecht, sie über einen Kamm zu scheren. Dies zeige eine neue Studie des IW, die in Kooperation mit der London School of Economics entstanden ist.

Internationale Investoren können Beteiligungsgesellschaften sein, aber auch institutionelle Investoren wie heimische Versicherungen oder Pensionsfonds. Sie alle haben sich Besonderheiten in den Mietmärkten der internationalen Metropolen zunutze gemacht, allerdings auf unterschiedliche Weise: So fokussierten sich die Investoren in Lissabon etwa auf die Aufwertung zentraler und oft leerstehender Wohnungen, um sie als Ferienwohnungen zu vermieten. In Dublin konzentrierten sie sich auf den Bau von Wohnungen für internationale Fachkräfte, die bei Großkonzernen wie Amazon beschäftigt sind, in Berlin hatten sie ein besonders Interesse daran, Mietwohnungen zu kaufen und zu sanieren.

Kritikern sind diese Ansätze ein Dorn im Auge, so das IW, weil hiermit oft höhere Mieten und Preise für die lokale Bevölkerung verbunden sind. Das Institut kritisiert, dass in vielen Ländern Finanzinvestoren Steuervorteile nutzen konnten, die die lokalen Anbieter nicht hatten. Teilweise machten sich die Investoren auch gezielt fehlende Regulierungen zunutze.

Wichtige Rolle bei energetischen Sanierungen

Allerdings sind Finanzinvestoren auch wichtig, betont das IW, um etwa die Klimaschutzziele zu erreichen. Lissabon und Barcelona haben teilweise über Jahrzehnte zu wenig investiert und die Bestandsimmobilien vernachlässigt. In Deutschland haben sich mit den gestiegenen Zinsen viele Finanzinvestoren zurückgezogen, das führt zu einem massiven Einbruch im Bau und bei energetischen Sanierungen. Gerade die Umsetzung höherer Energieeffizienzstandards und klimafreundlicher Heizungssysteme erfordert massive Investitionen in den Gebäudebestand, die ohne die Hilfe der Finanzinvestoren nur noch schwer möglich sind. 

Internationale mit geringem Anteil in Deutschland

Internationale Investoren stecken verhältnismäßig wenig Geld in deutsche Immobilien. Das IW betrachtete die Jahre 2011 bis 2021 unter dem Aspekt, wie hoch der Anteil internationaler Investoren an den Gesamtinvestments auf dem Wohnungsmarkt war. Dabei kam das Institut auf einen Durchschnittswert von 22,1 Prozent. Ein Ausreißer war dabei das Jahr 2020, wo 50,9 Prozent der Wohninvestments von Internationalen getätigt wurden. Im Jahr davor, also 2019, gingen dagegen nur 11,2 Prozent der Investitionen auf deren Konto.

In Spanien dagegen kamen im Schnitt 69,1 Prozent der Wohnungsinvestments aus dem Ausland – am anderen Ende der Skala liegt Schweden mit nur 6,6 Prozent.

Beim Blick auf die Bürgerinnen und Bürger ergeben sich ebenfalls deutliche Unterschiede zwischen den Ländern. Die Deutschen geben nach den IW-Zahlen von 2020 einen verhältnismäßig niedrigen Anteil ihres Einkommens für die Miete aus. Damals waren es 21,7 Prozent. Deutlich darüber lagen Großbritannien mit 31,5 Prozent und Schweden mit 30,4 Prozent.

Niedrigverdiener haben Probleme in Berlin

Zu Berlin schreibt das IW: „Interessanterweise hat sich die durchschnittliche Belastung für Mieter (gemessen am Verhältnis von Miete zu Einkommen) nicht erhöht, da auch die Einkommen erheblich gestiegen sind. Für Arbeitnehmer mit geringfügig entlohnten oder Teilzeit-Beschäftigungen hat sich die Situation jedoch verschlechtert.“ Die globale Finanzkrise hatte keine signifikanten Auswirkungen auf Deutschland, da der Wohnungsmarkt in den 2000er Jahren stagnierte.

Seit dem Jahr 2022 hat sich die Situation in Deutschland und Berlin erheblich verändert. Ein wesentlicher Treiber für Investitionen auf dem Wohnungsmarkt waren die extrem niedrigen Zinssätze. Die sehr rasch gestiegenen Zinsen nahmen den Anlegern den Appetit auf Immobilien, und auch die Produktion von Neubauwohnungen kam zum Stillstand. Potenzielle Wohnungskäufer sind nun auf dem Mietmarkt unterwegs.

„Infolgedessen steigen die Mieten noch schneller als zuvor. In Berlin stiegen die Mieten für Neuverträge innerhalb eines Jahres um mehr als zehn Prozent. Da in den kommenden Jahren mit einer geringen Bautätigkeit zu rechnen ist, wird der Druck auf die Mieten weiterhin hoch bleiben, auch wenn die Nachfrage ausländischer und institutioneller Investoren plötzlich nachlässt“, so die Erwartung des IW.

Notverkäufe gebe es derzeit nicht, stellt das IW fest. Mögliche Gründe seien der Mangel an attraktiven Investitionsalternativen ebenso wie die Tatsache, dass die Preise trotz der Zinserhöhungen relativ stabil geblieben sind. Angesichts dieser neuen makroökonomischen Rahmenbedingungen erwartet das IW, dass es weniger Großinvestoren auf dem Markt geben werde.

Verschärfte Mietpreisregulierung

Für Deutschland, Schweden und bis zu einem gewissen Grad auch Dänemark stellt das IW deutliche Reaktionen auf die Aktivitäten von Finanzinvestoren im Mietsektor fest. Dies hat zu einer erheblichen Verschärfung der Mietpreisregulierung geführt, insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses zwischen der Verbesserung des Wohnungsbestandes und den Mieten, die verlangt werden können. In einigen Ländern gab es öffentliche Kampagnen zur Begrenzung des Engagements internationalen Kapitals; Berlin ist jedoch nach wie vor stark von internationalen Geldern abhängig.

zuletzt editiert am 03. Juli 2023