Expo Real 2024 – Special Teil 4: Welche Wirtschaftsbereiche vermissen Sie auf der Messe? Und werden die Investmentvolumina im Neubau weiter sinken?
Die Expo Real ist der Gradmesser für das immobilienwirtschaftliche Handeln der nächsten zwölf Monate. Neben Deals, Geschäftsanbahnungen und Networking ist für uns Journalisten vor allem die Stimmungslage entscheidender Faktor.
In diesem Jahr sind wir jedoch ein bisschen anders auf Stimmenfang gegangen. Wir haben – teils provokante – Thesen aufgestellt, auf die wir Marktteilnehmer gebeten haben zu antworten. Für den vierten Teil unserer Serie wollten wir von namhaften Branchenakteuren wissen, was sie von folgender Aussage halten: Investoren werden ihre Investmentvolumina im Neubau weiter stark reduzieren, weil sie das Kapital für den Bestand benötigen.
Dr. Marcel Crommen, Geschäftsführer NAI Apollo: „Die These ist nur partiell richtig: Der Bedarf geht stark in Richtung neuwertige, ESG-konforme Flächen. Investoren werden insofern bedarfsgerecht bauen, aber nur dann, wenn es sich lohnt. Der Einkaufspreis ist hier entscheidend und im Moment hat noch kein vollständiges Repricing stattgefunden.“
Michael Fink, Managing Director Catella Residential Investment Management: „Der Neubau wird insgesamt deutlich zurückgehen, denn für viele Projektentwickler lohnt es sich bei den aktuellen Bau- und Finanzierungskosten nicht, Projekte zu starten. Bei Projektentwicklungskostensteigerungen von über 40 Prozent in den vergangenen vier Jahren und den angepassten Zielrenditen der Investoren steht der Neubau weitestgehend still. Gleichzeitig sind Investitionen in den Bestand, notwendig, insbesondere in Objekte, die die Energieeffizienz- und weitere Nachhaltigkeitsanforderungen nicht erfüllen und damit Gefahr laufen, deutlich abgewertet zu werden. Allerdings können diese Maßnahmen auch über den normalen Substitutionsprozess im Rahmen von Budgetplänen des Assetmanagements umgesetzt werden. Der Grund für die Zurückhaltung bei Neubauinvestitionen liegt eher im aktuellen Marktumfeld begründet.“
Curth-C. Flatow, Managing Partner FAP Group: „Das mag teils für Bestandshalter richtig sein. Wiederum gibt es mehrere Investoren, die neu in den Wohnimmobilienmarkt investieren wollen.“

Jan-Felipe Salzmann, Senior Director Investment Germany & Austria, Greystar: „Nein, das sehen wir nicht so. Wir selbst sehen als Investor derzeit gute Investmentopportunitäten. ESG ist ein dominierendes Thema, denn Nutzer, Investoren und Unternehmen konzentrieren sich stark auf Nachhaltigkeit. Der Großteil des deutschen Wohnbestands stammt aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Es gibt eine ausgeprägte Mietkultur in Deutschland und eine wachsende Nachfrage nach modernen, energieeffizienten Immobilien in den Metropolregionen. Greystar ist ideal positioniert, um diese wachsende Nachfrage mit entsprechenden Neubauten zu bedienen, beispielsweise mit dem Landmark-Wohnprojekt “Greenpark” in Berlin. Klar unterstützende Treiber für speziell entwickelte Produkte sind Urbanisierung, Haushaltsbildung und die Anforderungen an einen gut verwalteten und serviceorientierten Wohnungsbau.“
Katharina Freiin v. Waldenfels, Geschäftsführerin bei Alitus Capital Partners: „Die Neubauvolumina werden in der Tat aus verschiedenen Gründen gering bleiben. Zum einen spielen hier die Opportunitätskosten eine Rolle, zum anderen sind es die Preise, die die Nachfrage der Investoren beeinflussen.“
Boris Schran, Managing Partner bei Peakside Capital: „Aufgrund steigender Zinsen und hoher Baukosten sind Neubauaktivitäten tatsächlich stark rückläufig. Eine Ausnahme bildet der Logistiksektor, wo Neubauprojekte weiterhin attraktiv bleiben und Investitionschancen bieten und auch im Wohnungssektor erwarten wir eine Steigerung des Investitionsvolumens in nächster Zeit.“
Ausländische Investoren als interessierte Kapitalquellen
Carolin Brandt, stellvertretende Leiterin Asset-Management HIH Real Estate: „Wir sehen, dass institutionelle Anleger nach wie vor in Neubau investieren. Dabei prüfen sie sehr gewissenhaft, welche Nutzungsarten die nötige Sicherheit bieten. Im Vordergrund stehen besonders das Nachvermietungsszenario und die Frage, welche Lagen nachhaltig eine stabile Nutzernachfrage bieten.“

Simon Jeschioro, Head of Capital Markets & Investment Advisory bei Cushman & Wakefield: „Wahrscheinlich werden einige Investoren mit großen Beständen wirklich weniger in Neubau investieren. Dennoch wird es Investitionen in neue Entwicklungen geben: Wer Objekte bereits länger hält, schichtet seine Portfolios um – indem er aus dem Bestand veräußert und neue Objekte dazugekauft. Auch ausländische Investoren, die in Deutschland noch keinen Bestand aufbauen konnten, sind aktuell sehr interessierte Kapitalquellen für den Neubau in guten beziehungsweise sehr guten Lagen.“
Ronny Pifko, CEO Bluerock Group: „In den deutschen Ballungsgebieten herrscht akuter Wohnungsmangel. Aufstockungen und Nachverdichtungen im Bestand sind investorenseitig daher interessante Ansätze diesem zu begegnen. Aber der diskutierte Bürokratieabbau im Baurecht, der Rückgang des Anstiegs der Baukosten und die Beschleunigung von behördliche Genehmigungsverfahren dürften dazu beitragen, dass der Neubau ebenfalls im Fokus der Investoren bleibt oder zurückkehrt.“
Marc Drießen, CEO Evolv Asset Management: „Ich glaube, das ist gar nicht der entscheidende Grund. Zumindest nicht im Bereich der institutionellen Investoren. Hier sind meines Erachtens viel mehr volle Quoten, Entfall Deckung der Zinszusatzreserve, attraktive Alternativen im Bereich fixed Income zu nennen. Im Ergebnis muss sich die Branche von den Goldilocks-Sonderkonjunktur Zeiten verabschieden und sich wieder an normale Zeiten gewöhnen, in denen Immobilie Investments einen inhärenten Grund brauchen und nicht nur getätigt werden, weil die Alternativen noch schlechter sind.“
Norman Kustos, Geschäftsführender Gesellschafter bei Neotares: „Solange Neubau günstiger zu realisieren ist, werden Investoren den einfacheren Weg wählen. Daher kann ich diesem Punkt nur bedingt zustimmen. Investoren / Bestandshalter müssen in zentralen Lagen mehr investieren, um gegenüber Neubau konkurrenzfähig zu bleiben.“
„Eine Ausnahme bildet der Logistiksektor“
Carl Jobst Junicke, Geschäftsführender Gesellschafter Junicke Gruppe: „Die Investoren werden ihre Volumina im Neubau weiter reduzieren, um Kapital für bestehende Bestände bereitzustellen. Dies wird den Druck auf den Bestand weiter erhöhen, da weniger Neubauten realisiert werden und dadurch die Mietpreise steigen dürften.“

Alexander Lackner, CEO Neworld: „Das würde ich unterschreiben. Die hohen Zinsen und Baukosten, immer strengere regulatorische Anforderungen sowie langwierige Genehmigungsprozesse führen insgesamt zu einem reduzierten Neubauvolumen in Deutschland. Daher beschäftigen sich Investoren mit Blick auf die aktuellen Marktbedingungen auch mit alternativen Anlageklassen oder Investitionsmöglichkeiten im Ausland.“
Boris Schran, Managing Partner bei Peakside Capital: „Aufgrund steigender Zinsen und hoher Baukosten sind Neubauaktivitäten tatsächlich stark rückläufig. Eine Ausnahme bildet der Logistiksektor, wo Neubauprojekte weiterhin attraktiv bleiben und Investitionschancen bieten und auch im Wohnungssektor erwarten wir eine Steigerung des Investitionsvolumens in nächster Zeit.“
Robert Schneider, Geschäftsführer DeA Capital Real Estate Germany: „Reduzierte Volumina im Neubau ja, allerdings aus anderen Gründen: Die spekulative Bautätigkeit ist in vielen Assetklassen zum Erliegen gekommen, weil Banken diese nicht mehr finanzieren. Außerdem stehen die üblichen Erwerber von Neubauprojekten, also die Core-Käufer, nicht mehr im gewohnten Maße bereit. Die notwendigen Investitionen in den Bestand werden allerdings ebenfalls nicht ausreichend getätigt – insbesondere da oftmals die ursprünglichen Business Pläne die Mittel dafür nicht vorsahen und es den Eigentümern vielfach noch an der entsprechenden Einsicht für die notwendigen Maßnahmen mangelt.“
„Energieanbieter fehlen auf der Expo“
Außerdem wollten wir wissen: Welche Wirtschaftsbereiche, die wichtig für die Branche sind, vermissen Sie auf der Expo?
Sergey Koynov, Geschäftsführer der Intelliway Services: „Ich wünsche mir mehr PropTech-Unternehmen, deren Lösungen nicht nur, aber eben auch, für die Immobilienwirtschaft von Relevanz sein können. In Zeiten von KI finde ich einen Blick über den Tellerrand noch wichtiger als ohnehin schon.“

Dr.-Ing. Johannes Fütterer, CEO von Aedifion: „Aus unserer Sicht wäre es vor allem in Hinblick auf das Demand Side Management und die Etablierung intelligenter Stromnetze wichtig, Immobilien- und Energiewirtschaft zusammenzubringen. Energieanbieter fehlen auf der Expo Real in München aber weitestgehend. Auch Smart Metering Anbieter sind nicht oder kaum vertreten. Das Thema Nachhaltigkeit muss ganzheitlich betrachtet werden. Daher bräuchte es kluge und vernetzte Umsetzungsstrategien im Sinne einer ‚ESG Alliance‘, die nicht nur Teilaspekte bedienen. Dies kann eine Branche alleine nicht leisten.“
Matthias Höppner, Geschäftsführer Rectocon: „Das Thema HR ist immer noch viel zu unterrepräsentiert. Zwar gibt es den Career Day am dritten Messetag. Der richtet sich aber vor allem an Studierende und Young Professionals. Themen wie Karriereplanung, Personalentwicklung und Compensation and Benefits bei Fach- und Führungskräften werden viel zu wenig besprochen. Dabei dürfen wir nicht vergessen: Die Immobilienwirtschaft steht im Wettbewerb mit vielen anderen, teils deutlich innovativeren Branchen. Wer gute Leute anziehen und dann auch halten will, muss etwas dafür tun und das Thema HR ernst nehmen!“
Marc Drießen, CEO Evolv Asset Management: „Third Wave Coffee Bars für den Espresso zwischendurch.“
Dirk Tönges, Geschäftsführer MVGM: „Ein Bereich, der noch immer zu wenig Beachtung findet, ist die Bewirtschaftung und Optimierung kommunaler Bauten. Dieses Thema birgt großes Potenzial und bietet viel Raum für Verbesserungen.“
Andreas Krone, Geschäftsführer von NAI Apollo: „Mittlerweile sind unseres Erachtens alle Bereiche vertreten, KI wird aber noch wichtiger, daher wären mehr Proptechs mit Lösungen für Bauen und Planen und die Nutzung von AI in der Immobilienbranche sinnvoll.“

Rudi Pistora, Global Sales Director Planradar: „Wir vermissen auf der Expo die Präsenz wichtiger Wirtschaftsbereiche wie Corporate Real Estate für Branchen wie Pharma, Automotive und Chemie. Die Verzahnung dieser Bereiche ist für die Immobilien- und Bauwirtschaft von großer Bedeutung, da sie spezifische Anforderungen und innovative Lösungen erfordern. Die Integration dieser Wirtschaftsbereiche in die Expo würde einen umfassenderen Austausch fördern und die Entwicklung maßgeschneiderter Lösungen für diverse Immobilienprojekte unterstützen.“
Steffen Szeidl, CEO Drees & Sommer: „Neue Lösungen sind zwingend, wir brauchen Technologieoffenheit und Innovation. Dies kommt nicht durch die etablierten Player allein. Ich finde es daher schade, dass insbesondere die Proptechs in den letzten Jahren keine klare Plattform geboten bekamen. Die Verschränkung von Planen/Bauen/Betreiben wird sich immer weiter fortsetzen, daher sollte man sich von der zu engen Begrenzung des Themafeldes verabschieden! Außerdem erfolgen derzeit große Investments im Bereich der Industrie (Batteriezellwerke, Chipfabriken, etc.) und der Infrastruktur (Schiene, Energieerzeugung und -verteilung). Auch hier könnte eine breitere Ausrichtung Chancenfelder aufzeigen.“
Dr. Gisbert Beckers, German American Realty, geschäftsführender Gesellschafter: „Die konzentriertere Darstellung von Möglichkeiten zu Investition in Auslandsimmobilien.“
Marcus Bohrer, Gründer und Geschäftsführer Areal: „Die komplexen technischen Vorgänge in Gebäuden und deren Optimierung sind für uns tägliche Herausforderungen. Auf der Messe stellen wir jedoch fest, dass es an ausreichend spezialisierten Fachkräften aus den verschiedenen Disziplinen fehlt, die in der Lage sind, konzeptionelle Handlungsempfehlungen umzusetzen und fundierte Beratung anzubieten.“