Erst mit dem richtigen Datenstandard und umfassenden Quellen können BIM-Modelle ihre Stärken ausspielen. Von Christian Stammel
In der Vergangenheit war hauptsächlich ein Faktor für den Wert einer Immobilie maßgebend: die Lage. Heute wird mehr und mehr klar, dass auch die für eine Immobilie vorhandene Datenlage ein wahrer Schatz sein kann. Die Immobilienwirtschaft erkennt, dass neben weiteren wichtigen Basisinformationen aus der Bau- und Betriebsphase ein weiterer Aspekt zu mehr Nachhaltigkeit und Effizienz führen kann: BIM-Modelle. Dies wurde auch auf der BIM World Munich 2024, der internationalen Plattform für alle Akteure der Digitalisierung der Bau-, Immobilien- und Facility-Management-Industrien, umfassend thematisiert und diskutiert.
ESG, Taxonomie, CREM, CO2-Fußabdruck, Kreislaufwirtschaft sowie Material- und Produktpass sind Themen, die alle eines gemeinsam haben: Digitalisierung und Daten. Viele der Punkte werden erst im Betrieb des Gebäudes in Angriff genommen und mit einem enormen Aufwand aus den Energieverbräuchen, dem Facility-Management und aus den Archiven der Architekten und Generalunternehmer zusammengetragen. Dieser Prozess kann deutlich erleichtert werden, wenn Planungs- und Ausführungsdaten im IFC-Standard als Basis zur Verfügung stehen.
Diese Datenbasis wird nur in den seltensten Fällen vollständig und aktuell sein, aber sie ist eine Grundlage, auf der man aufbauen kann. Voraussetzung dafür ist aber wiederum, dass die genutzten Software-Systeme auch diesen Standard unterstützen und sowohl interoperable Datenimporte wie -exporte zulassen. Gerade die Daten aus der Gebäudeautomatisierung und dem Facility-Management sind hier unerlässliche Informationen, die diese BIM-Modelle zu einem echten Datenschatz anreichern können.
In der neu etablierten CAFM World – dem Satellitenevent der BIM World Munich mit dem Schwerpunkt Facility-Management – wurde dies von einigen Ausstellern und Vortragenden dargestellt. Zwei Reizwörter (im Englischen auch Buzzwords) sind dabei unvermeidlich: digitaler Zwilling und Künstliche Intelligenz (KI). Wichtig ist hierbei, dass ein Digital Twin nicht nur eine grafische Darstellung in 3D ist, sondern eine Form der Datenvisualisierung. Ein Digital Twin ist am Ende ein weitergedachtes CDE (Common Data Environment), das mit Echtzeitdaten aus dem Betrieb zu einem Zwilling heranwächst.
Datenmodell wird ständig verbessert
Das Wort „Heranwachsen“ ist hierbei auch genau so zu verstehen. Das Modell ist am Anfang sicherlich noch nicht perfekt und muss ständig weiter gefüllt und verbessert werden. Wichtig ist dabei jedoch, dass man schon mit rudimentären Anfangsdaten startet. Die Kubatur des Gebäudes, die bereits bekannten Energiewerte, die einzelnen Produktpässe der Baumaterialien – all diese meist ohnehin vorhandenen digitalen Informationen sollten an einem Cloud-Speicherplatz sicher gehostet werden.
Auch wenn diese Daten zunächst noch unstrukturiert sind und sehr wahrscheinlich nicht alle dem IFC-Standard entsprechen, kann hier ein weiteres, sich extrem schnell entwickelndes System helfen: die Künstliche Intelligenz. Die Entwicklungen sind in diesem Bereich exponentiell und erlauben es, auch unstrukturierte Datensätze zu analysieren und für Auswertungen nutzbar zu machen. Somit wird aus der Kombination eines CDEs mit weiter angereicherten Daten ein Digital Twin, der mit KI weiterentwickelt wird und Auswertungen erlaubt, die vorher aufgrund der Dateninhomogenität nicht möglich gewesen wären.
„Für uns ist der digitale Zwilling wie eine Zeitmaschine.“
Michael Bussmann, Beno Holding
Was bedeutet aber dieser technische Ausflug nun für den Immobilienbestandshalter, Bauherren oder auch Bauunternehmern und Planer? Daten, Daten, Daten – unbedingt alle möglichen Daten des Projekts archivieren und möglichst in einer Dateninfrastruktur oder Cloud zusammenführen. Auch wenn in einem ersten Schritt gegebenenfalls nur wenige Auswertungen möglich sind, wird die Zeit – und in diesem Fall KI – Lösungen bieten, diese Daten intelligent zu verbinden und auszuwerten.
Nicht warten, sondern sofort starten, ist hier der beste Grundsatz. Michael Bussmann, CEO der Beno Holding AG, erläutert die Einsatzmöglichkeiten: „Für uns ist der digitale Zwilling tatsächlich wie eine Zeitmaschine, die uns hilft, Raum und Zeit zu überbrücken. Ein Beispiel wäre die Übergabe eines älteren Objektes an ein neues Property-Management. Dabei stellt sich beispielsweise eine Frage, die mit dem Thema Wartung zu tun hat: Wie viele Türen sind drin und wie viele Fenster? Das können wir vom Schreibtisch aus beantworten.“
Digitaler Zwilling bei der Sanierung
Revitalisierung ist ein weiteres Thema, das auf der BIM World Munich vielfach diskutiert und in Vorträgen anschaulich gezeigt wurde. Wie kann ein Immobilien-Bestand aus den 1960er oder 1970er Jahren auch bei der energetischen Sanierung von einem digitalen Zwilling profitieren? Die Antwort lieferten einige Vorträge zur modularen Fassadensanierung. Durch drohnenbasiertes Scanning kann heute in kürzester Zeit ein 3D-Modell der alten Fassade erstellt werden. Dieses wird dann mit 2D-Plandaten aus den vorhanden alten Plänen ergänzt, und man bekommt einen ersten digitalen Zwilling der Fassade und seiner angrenzenden Flächen.
Auf Basis dieses Datenmodells werden anschließend in der Vorfertigung energetische Fassadenelemente vorproduziert und sowohl pass- als auch termingenau angeliefert. Die Umsetzung der neuen Fassade erfolgt dabei in einem so raschen Tempo, dass die Bewohner der Bestandsimmobilie nicht ausziehen müssen. Dies erleichtert sowie beschleunigt deutlich die energetische Sanierung von Bestandsimmobilien.
Dietmar Bernert, BIM-Experte und Präsident der BIM World, fasst die Entwicklungen zusammen: „BIM-Modelle bilden die Basis für alle in der Planung, im Bau und im Betrieb zusätzlich entstehende Datenbestände. Durch eine neue Offenheit vieler Software-Akteure und den entstehenden kollaborativen Ansätzen durch digitale Zwillinge werden die Hürden nach Jahren des gefühlten Stillstands in der Dateninteroperabilität überwunden. Mit dem Einzug von Künstlicher Intelligenz in der Bau- und Immobilienwirtschaft können auch unstrukturierte Daten analysiert und zusammengeführt werden und somit zu einem echten Datenschatz werden.“
Es wird spannend zu sehen, wie vor allem KI die Branche weiter vorantreiben wird und welche neuen Erkenntnisse und Innovationen auf der BIM World 2025 präsentiert werden. Diese wird von 26. bis 27. November 2025 wieder im ICM – International Congress Center Munich – stattfinden.
