Drei Personen präsentieren eine Broschüre
Das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen präsentieren (von links): Professor Dr. Lars Feld, Bundesbauministerin Klara Geywitz und ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner. (Quelle: Benjamin Benirschke)

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14. February 2023 | Teilen auf:

Bauinvestitionen sind unattraktiv geworden

ZIA: Die Immobilienweisen warnen in ihrem Frühjahrsgutachten vor einer dramatischen Lage im Wohnungsbau.

ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner hat das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen an Bundesbauministerin Klara Geywitz übergeben. Kernsignale dieser Analyse: Bauinvestitionen sind in vielen Bereichen unattraktiv wie seit vielen Jahren nicht. Drastische Steigerungen bei den Baupreisen und den Zinsen ließen in den zurückliegenden Monaten Projektkalkulationen oft regelrecht zerbröseln. Der gewerbliche Immobilienmarkt gilt in weiten Teilen nach wie vor als robust; angesichts stark gestiegener Energiekosten rücken hier zunehmend die Energiebilanzen der Gebäude in den Fokus. 

Beim Wohnungsbau aber zeichnet sich eine zunehmende Dramatisierung ab. Erreichbare Mieten liegen nun immer häufiger unterhalb der Kostenmieten. Der ZIA fordert angesichts der immer schärferen Zuspitzung der Lage einen „radikalen Abschied von finanziellen und regulatorischen Begrenzungen, mit denen staatliche Akteurinnen und Akteure die Immobilienwirtschaft in Krisenzeiten zusätzlich ausbremsen“. Mattner: „Wenn wir weitermachen wie bisher, werden wir ein Wohnungs-Debakel in 2025 nicht mehr abwenden können. Hier ist es nicht mehr fünf nach zwölf, sondern Viertel nach drei, und es wird um sechs ein unangenehmes Erwachen geben.“

„Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine markiert einen Wendepunkt für Europa und nimmt starken Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung“, kommentiert Professor Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld, der in dem Gutachten die gesamtwirtschaftliche Lage analysiert hat, die Veränderungen. Er hält fest: „Inzwischen wird zunehmend von einer kurzen und milden Rezession für 2023 ausgegangen, wenn sie denn überhaupt eintritt.“

Der Stopp großer Akteure beim Wohnungsbau sei möglicherweise „ein Menetekel“ für die Entwicklung der Branche, warnt ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner zur Präsentation des Frühjahrsgutachtens. Die Attraktivität des gewerblichen Immobilienmarktes sei, speziell im Büro und Logistikbereich und bei modernen Gebäuden mit energetischen Nachhaltigkeitsstandards, zwar weiter gegeben. Für den Bereich Wohnen aber könnte die wachsende „Wirtschaftlichkeitslücke“ eine immer bedrohlichere „Wohnraumlücke“ auslösen. 

Wohnraum für 1,4 Millionen Menschen könnte fehlen

„Für das Jahr 2022 liegt beim Wohnungsbau bereits ein kumuliertes Neubaudefizit in der Zahl fast aller Wohnungen in Bremen vor, im Jahr 2024 wären rechnerisch alle Saarländer ohne Wohnung, für 2025 könnte das Gap aus ZIA-Sicht bei 700.00 Wohnungen beziehungsweise 1,4 Millionen Menschen liegen“, so Mattner, „das entspräche fast dem Wohnungsbestand des Saarlandes und Bremen zusammengenommen.“

Der konventionelle Wohnungsbau komme laut Mattner nur noch durch einen Dreiklang aus folgenden Punkten voran:

  • Preissenkung beim Wohnungsbau und damit Abbau der enormen Staatsquote am Produkt
  • Verbesserte Finanzierungsbedingungen, zu denen eine nennenswerte Förderung wie in der Vergangenheit sowie eine echte degressive AfA gehören
  • Verzicht auf eine weitere Begrenzungen der Einnahmeseite

Dafür fordert Mattner den Abschied von der Mietpreisbremse und generell einen strikten Verzicht auf weitere Mietenregulierung.

Zuwanderung von 1,5 Millionen Menschen

Für das Jahr 2022 erwartet Professor Dr. Harald Simons, Autor des Kapitels „Wohnimmobilien“, eine Nettozuwanderung von insgesamt knapp 1,5 Millionen, etwa eine Million von ihnen seien Menschen aus der Ukraine, die in Deutschland Schutz suchen.  „Damit ist das Jahr 2022 das Jahr mit der höchsten Nettozuwanderung nach Deutschland seit Bestehen der Bundesrepublik“, so Prof. Simons. Die Nachfrage nach Wohnungen ist dadurch sprunghaft gestiegen. Entsprechend ist die Wirkung auf die Wohnungsmieten, die im Bestand in 2022 mit +5,2 Prozent wieder etwas stärker als in den Vorjahren anstiegen.“

Expansionspläne des Handels

 „Der Einzelhandelsumsatz hat sich trotz negativer Rahmenbedingungen positiv entwickelt – entgegen den vorangegangenen Jahren getragen vom stationären Handel“, fasst Michael Gerling, Autor des Kapitels „Einzelhandelsimmobilien“ zusammen. „Eine wieder leicht steigende Konsumstimmung, zurückkehrende Passantenfrequenzen und staatliche Maßnahmen zur Kostenreduzierung für Verbraucher und Unternehmen zeigen in den positiven Expansionsplänen des Handels ihre Wirkung. Während 2020 und 2021 die Nahversorgungsimmobilien im Trend lagen, erhellen sich nun auch die Aussichten in den anderen Handelsimmobilienklassen.“

Angebotslücke bei Seniorenimmobilien

Carolin Wandzik, Autorin des Kapitels „Gesundheits- und Sozialimmobilien“, weist auf konkrete Lücken hin: „Das Angebot an Pflegeheimen stagniert derzeit in Deutschland. Um den demografiebedingten Zusatzbedarf zu decken, müsste der Neubau deutlich an Dynamik gewinnen.“ Für das Segment des betreuten oder Servicewohnens für Seniorinnen und Senioren ergibt sich schon heute eine Angebotslücke von 550.000 Wohneinheiten. Unter Berücksichtigung der steigenden Zahl an Älteren wird diese bis 2040 auf fast eine Million Wohnungen anwachsen. „Mit der aktuellen Neubautätigkeit von etwa 6.000 Wohnungen pro Jahr, wird diese nicht zu schließen sein“, konstatiert Wandzik.

Büros und Logistik bleiben attraktiv

Die Attraktivität des gewerblichen Immobilienmarktes ist aufgrund der steigenden Mieten und der bestehenden Flächennachfrage, speziell im Büro- und Logistiksegment, weiterhin gegeben, diagnostiziert der Experte Sven Carstensen, der das Kapitel „Büro-, Unternehmens-, Logistik-, Hotelimmobilien“ verfasst hat. Es ist, so Carstensen, aber wahrscheinlich, dass zumindest die erste Jahreshälfte noch von Zurückhaltung geprägt sein wird und die Marktaktivität erst wieder anspringt, wenn die Zinsentwicklung besser eingeschätzt werden kann.

Mit Blick auf Logistikimmobilien hält Carstensen fest: Bisher zeigt sich der Markt für Logistikflächen trotz aller wirtschaftlicher Unsicherheiten resilient. Sollten die derzeit geplanten Projekte kurzfristig realisiert werden, könnte das Jahr 2023 erneut ein Rekordjahr werden. Schwierigkeiten am Projektentwicklermarkt bei der Finanzierungs- und Kostensicherheit sind inzwischen allerdings auch im Logistikbereich zu beobachten.

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zuletzt editiert am 14.02.2023