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Zum Jahreswechsel zündet die nächste Stufe der EU-Offenlegungsverordnung. (Quelle: iStockphoto)

Investment

19. December 2022 | Teilen auf:

EU-Offenlegungsverordnung: Nächste Stufe zündet zum Jahreswechsel

Ab dem 31. Dezember 2022 muss auf Fondsebene rückwirkend über die sogenannten Principal-Adverse-Impact-Indikatoren, kurz PAIs, berichtet werden. Von Robert Bluhm, Sustainability Officer, Universal Investment

Fällt das Stichwort EU-Offenlegungsverordnung, kommen Investoren spontan die mittlerweile geläufigen Fondsklassifizierungen 6, 8 und 9 in den Sinn. Dass die Reihenfolge eine Lücke hat, hat bislang wenig Beachtung gefunden. Das ändert sich nun, denn ab dem 31. Dezember 2022 muss auf Fondsebene rückwirkend über die sogenannten Principal-Adverse-Impact-Indikatoren, kurz PAIs, berichtet werden – und das quer durch alle existierenden Klassifizierungen und Produkte. Das kommt einer Mammutaufgabe gleich.

Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger stehen im Fokus

Die Aufklärung über nachteilige Auswirkungen von Investitionen auf Nachhaltigkeitsfaktoren soll Anlegern eine bessere Grundlage für ihre Investmententscheidungen liefern. Das ist vom Prinzip her auch richtig, da es keineswegs selbstverständlich ist, dass ein nachhaltiger Fonds alle ESG-Faktoren ausschließlich positiv beeinflusst. Man kann sich das wie ein Dreieck vorstellen: Wenn man die eine Ecke – also einen Nachhaltigkeitsfaktor – zu sehr optimieren und in eine Richtung ziehen will, entsteht Spannung in den anderen beiden Ecken.

Konzentriert sich ein Fonds etwa zu stark auf den Aspekt Umwelt, kann es sein, dass zum Beispiel der Bereich Soziales vernachlässigt wird. Diese mögliche Divergenz zu verstehen, ist gerade im Hinblick auf Artikel-9-Fonds mit ihren anspruchsvollen Nachhaltigkeitszielen wichtig – aber eben nicht nur. Grundsätzlich müssen Unternehmen die PAIs für alle von ihnen verwalteten Produkte offenlegen – also auch für Artikel-6-Fonds ohne Nachhaltigkeitsziele und Artikel-8-Produkte mit Nachhaltigkeitsmerkmalen.

Mit Artikel 7 ist die Branche einmal mehr gefordert

Viel Zeit zum Atemholen lässt der Regulierer der Branche nicht. War man seit 10. März 2021 damit beschäftigt, auf Webseiten und in vorvertraglichen Informationen aufzuklären, wie sich Nachhaltigkeit auf das Produkt auswirkt, gilt es nun, die Inside-Out-Perspektive zu beschreiben: Wie wirkt sich das Finanzprodukt auf Nachhaltigkeit aus? Der administrative Aufwand, der sich für größere Fondshäuser beziehungsweise Service-KVGs mit stark diversifizierten Fonds oder einer breiten Fondspalette daraus ergibt, ist erheblich.

Set aus Pflicht- und Wahlindikatoren für Immobilienfonds

Für den Immobilienbereich wurde ein klares Set aus Pflicht- und Wahlindikatoren für die PAIs festgelegt. Für Immobilien sind zwei Pflichtmerkmale definiert: erstens die Quote der Investitionen in Objekte, die in aktivem Zusammenhang zu fossilen Energieträgern stehen, und zweitens die Quote der Investitionen in energieeffiziente Immobilien. Abgerundet wird das Set durch einen Wahlindikator aus den Bereichen Ökologie oder Soziales. Ein sozialer Indikator könnte bei einem Wohnimmobilienfonds die Quote der preisgebundenen oder preisgedämpften Wohneinheiten sein. Für eine Büro- oder Logistikimmobilie hingegen lässt sich ein sozialer Indikator kaum darstellen.

Auch andere Wahlindikatoren wie Artenvielfalt oder Gender-Diversity stellen im Hinblick auf die Datenerhebung eine enorme Herausforderung dar. Von daher wird es beim Wahlindikator in der Immobilienbranche zunächst auf den Ausweis der Energieverbräuche beziehungsweise der CO2-Emissionen hinauslaufen. Das ist allein deshalb naheliegend, weil entsprechende Daten zumindest kurz- bis mittelfristig durch den Energieausweis messbar gemacht werden können. Von vielen KVGs und Asset-Managern wird er daher als Wahlindikator klar präferiert.

Standards zu definieren, ist Sache der Asset-Manager

Die Art und Weise, wie über die PAIs berichtet werden muss, ist von der Regulatorik manchmal eher weich formuliert. Folglich sind die Fondsmanager gefordert, eine Strategie zu entwickeln, wie die PAIs berücksichtigt werden, um sie dann auf Fondsebene veröffentlichen zu können.

Ganz neu sind die PAIs allerdings nicht. Vielmehr sind sie mit Artikel 4 SFDR bereits rechtskräftig. Demgemäß müssen Finanzmarktteilnehmer – entweder verpflichtend aufgrund ihrer Unternehmensgröße oder freiwillig – in einer Unternehmenserklärung offenlegen, ob sie die wichtigsten negativen Nachhaltigkeitsauswirkungen berücksichtigen und wie sie ihrer Sorgfaltspflicht im Zusammenhang mit PAIs nachkommen. Mit Inkrafttreten von Artikel 7 wird diese Anforderung nun auch auf Produktebene ausgerollt. Und auch hier müssen die Erklärungen äußerst dezidiert erfolgen, denn die Aufsichtsbehörden werden sehr genau schauen, wie Finanzmarktteilnehmer ihrer Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die PAIs nachkommen.

Vage Vorgaben erhöhen den Aufwand

Das beginnt bei der Erklärung, wie die einzelnen PAIs gewichtet werden, bis hin zur Definition und Umsetzung von Maßnahmen, um die nachteiligen Auswirkungen bestmöglich zu reduzieren. Steht das einmal fest, muss es zudem auf die jeweilige Fondsklassifizierung 6, 8 und 9 heruntergebrochen werden. Wann die zulässige Menge der nachteiligen Auswirkungen als überschritten gilt, ist indes ebenso unklar wie die sich daraus ergebenden Konsequenzen.

Bislang gibt es lediglich das „Do no significant harm“-Prinzip für Artikel-9-Fonds, demnach Schäden in Nachhaltigkeitsaspekten jenseits des Hauptziels nicht übermäßig groß sein dürfen. Aber auch das ist recht vage. Darüber hinaus gibt es für nachteilige Auswirkungen keine klar definierte Obergrenze. Für die Branche heißt das: Sie muss in den Austausch gehen und sich auf marktweite Standardisierungen einigen.

Daten sind alles – aber nicht ausreichend verfügbar

Robert Bluhm
Robert Bluhm (Quelle: Habermehl)

Eine weitere Herausforderung neben dem Schaffen verbindlicher Leitplanken ist das Sammeln und Aufbereiten von Daten. Die Fragen, wie man an Daten kommt und eine konsistente Datenbasis schafft, sind nach wie vor unbeantwortet. Zudem muss bei Offenlegung der PAIs die Herkunft der Daten klar sein. Braucht es also die Unterstützung entsprechender Datenanbieter? Das wird Zusatzkosten nach sich ziehen. Sind intelligente Algorithmen bei der Datenverarbeitung die Lösung? Dann ist der Implementierungsaufwand entsprechend hoch. Nach unserer Auffassung ist es ein guter Weg, über die Verbände zu gehen und auf gemeinsame Standards hinzuwirken – und das im besten Fall zeitnah.

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zuletzt editiert am 19.12.2022