Die Bedingungen auf den Finanzierungsmärkten haben sich in den ersten fünf Monaten des Jahres 2022 deutlich verändert. Dies zeigt auch das aktuelle BF.Quartalsbarometer, das im zweiten Quartal deutlich gesunken ist. Dies hat Folgen für den Transaktionsmarkt und vor allem für Projektentwickler. Einziger Lichtblick: mittelfristig wieder leicht fallende Zinsen.
Die Stimmung unter den deutschen Immobilienfinanzierern ist im zweiten Quartal 2022 deutlich eingebrochen. Das BF.Quartalsbarometer, das die Stimmung unter den Immobilienfinanzierern quartalsweise erfasst, ist von minus 1,45 Zählern im ersten Quartal 2022 auf minus 12,01 Zähler im zweiten Quartal gefallen und erreicht damit den zweittiefsten Stand seit Beginn der Erhebung. Nur im zweiten Quartal 2020, als der anfängliche Corona-Schock die deutsche Wirtschaft traf, war die Stimmung mit minus 15,24 Zählern – ein Minus von 11,34 Punkten gegenüber dem Vorquartal – vergleichbar schlecht.
Alle wesentlichen Einzelparameter, die im Rahmen des Quartalsbarometers abgefragt werden, haben sich im zweiten Quartal 2022 deutlich verschlechtert. So geben mehr als zwei Drittel (plus 45 Prozentpunkte) der befragten Experten an, dass sich die allgemeinen Finanzierungsbedingungen verschlechtert haben.
Auch bei der Einschätzung des Neugeschäfts gibt es signifikante Veränderungen. Mehr als die Hälfte der Befragten sieht ein stagnierendes Neugeschäft. Zudem steigt der Anteil derer, die ein abnehmendes Neugeschäft beobachten, auf 14,9 Prozent (plus 10,9 Prozentpunkte) deutlich an.
Wir gehen in den kommenden Jahren von weniger Neubau und weniger Fertigstellungen aus.
Wenn die Banken und andere Finanzierer zurückhaltender werden, steigen in der Regel die Margen an, weil die Banken bestrebt sind, für das erhöhte Risiko eine bessere Vergütung zu bekommen. Diese Entwicklung war auch im zweiten Quartal 2022 zu beobachten. Sowohl bei der Finanzierung von Bestandsgebäuden als auch von Projektentwicklungen machten die Margen einen Sprung nach oben. Im Bestandssegment stiegen sie von 168 Basispunkten auf 192,6 (plus 24,6 Punkte). Noch deutlicher war der Anstieg bei Projektentwicklungen. Hier kletterten sie um 38 Basispunkte auf einen Wert von 283.
Wie immer in akuten Krisensituationen ist auch aktuell die Refinanzierung für die Institute teurer geworden. Die Höhe der Refinanzierungsaufschläge wiederum hat großen Einfluss auf das Marktsentiment. Im zweiten Quartal 2022 sehen 77 Prozent (plus 39 Punkte) der Befragten ansteigende Liquiditätskosten.
Was hat zu dieser deutlichen Verschlechterung der Stimmung geführt? Zu den Gründen gehören natürlich der Krieg in der Ukraine, die steigenden Rohstoffpreise und die hohe Inflation. Die Hauptursache für den starken Rückgang des Barometers sind jedoch die stark anziehenden langfristigen Zinsen. Diese haben in den vergangenen Monaten die größten Sprünge seit Jahrzehnten vollzogen. Laut Interhyp lagen die zehnjährigen Bauzinsen im Januar 2022 noch bei 1,0 Prozent. Im Februar begannen sie zu steigen und erreichten Anfang Juni 2022 einen Wert von 2,79 Prozent. Die Fremdkapitalzinsen sind der maßgebliche Einflussfaktor auf die Immobilienfinanzierung.
Wir haben mit einer Verschlechterung der Stimmung gerechnet, allerdings nicht in diesem Ausmaß. Zwar empfinden wir die Lage aktuell als sehr herausfordernd, aber nicht als Krise. Das Quartalsbarometer hat bereits in der Vergangenheit mit heftigen Ausschlägen nach unten oder oben reagiert, die sich in der Folge jedoch wieder beruhigt haben.
Normalisierung der Preise
Die Gretchenfrage, die sich derzeit alle Marktteilnehmer stellen, ist die nach der weiteren Entwicklung der Immobilienpreise. Blicken wir hier erst auf den Bestand. Wir erwarten, dass hier eine gewisse Normalisierung eintritt. In den vergangenen fünf Jahren haben wir uns an sehr hohe Multiplikatoren gewöhnt. Wir gehen davon aus, dass Immobilien, die vor kurzem teilweise zum 40-fachen gehandelt wurden, wieder mit Faktoren wie 30 oder 32 verkauft werden. Außerdem wird es unserer Meinung nach wieder zu einer stärkeren Differenzierung kommen. Core-Immobilien werden weiterhin gefragt bleiben. Aber Immobilien mit Abstrichen, die in den letzten Jahren trotzdem zu Core-Preisen gehandelt wurden, werden unter Druck geraten. Unter Abstrichen verstehen wir etwa mangelnde ESG-Konformität, schlechtere Lagen oder kurze Mietvertragslaufzeiten. Herausforderungen sehen wir in erster Linie bei Gewerbeimmobilien. Ihre Mietverträge sind zwar inflationsindexiert, aber in der Regel nur zu 60 oder 70 Prozent.
Institutionelle Investoren warten ab
Wie verhalten sich Investoren in der aktuellen Situation? Insbesondere institutionelle Anleger warten erst einmal ab und verschieben Transaktionen. Das weitere Verhalten der Investoren hängt unter anderem stark von der künftigen Entwicklung der Renditen von Staatsanleihen ab. Die Rendite von zehnjährigen Bundesanleihen liegt derzeit bei 0,79 Prozent. Zum Vergleich: Vor sechs Monaten waren es noch minus 0,25 Prozent.
Fazit: Für die weitere Entwicklung werden vor allem die Zinsen entscheidend sein. Wir erwarten, dass die zehnjährigen Zinsen noch kurzfristig weitersteigen, mittelfristig aber eher wieder leicht sinken werden. Die Zeiten der ultraniedrigen Zinsen sind jedoch vorbei.
Autor: Francesco Fedele