Patrick Zech
Patrick Zech (Quelle: immobilienmanager/Ben Becker)

Nachhaltigkeit & ESG 3. April 2023 "Wir müssen alte Zöpfe abschneiden"

Nachhaltigkeit und ESG: Technik, Digitales und Sanierung - das imFokus-Gipfeltreffen vom 30. März 2023.

Ausverkauftes Haus in der Kölner Motorworld am 30. März 2023: Rund 75 Marktteilnehmer kamen zu unserem imFokus-Gipfeltreffen, um gemeinsam über das Thema Nachhaltigkeit und ESG zu diskutieren. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen diesmal die Teilbereiche Technik, Digitales und Sanierung.

Nachhaltigkeit durch Automatisierung in der Bauwirtschaft? Patrick Zech, Head of Incubator bei Kuka Systems, führte im ersten Impulsvortrag des Tages eindrucksvoll auf, welch enormes Potenzial in der Automatisierung steckt. Die meistens orangenen Roboter, die vor allem aus dem Fahrzeugbau bekannt sind, werden mittlerweile auch für den seriellen Bau von Immobilien eingesetzt. Allerdings stößt das derzeit auch noch an Akzeptanzgrenzen. „Die Facharbeiter hatten noch keinen Kontakt mit Robotern,“ so Zech.

Also will das Unternehmen Prozesse von der Baustelle weg verlagern: Automatisierter modularer Hausbau aus der Fabrik – die erste entsteht zurzeit in England und soll im kommenden Jahr fertiggestellt werden. „Ich liebe es, wenn verschiedene Welten zusammenkommen“, so Zech und führte die Parallelen zwischen Automobilindustrie und Bauwirtschaft auf. „Wir müssen hier im Kollektiv denken, anders geht’s nicht.“

Werte von Immobilien werden beeinflusst

Rüdiger Hornung
Rüdiger Hornung (Quelle: immobilienmanager/Ben Becker)

Über die Auswirkungen von ESG auf den Wert von Immobilien sprach Rüdiger Hornung von Wüest Partner aus der Schweiz. Dort bestünde noch sehr viel Aufklärungsbedarf, denn die Branche befinde sich laut Hornung noch im Stadium der drei bekannten Affen: man sieht nichts, hört nichts und redet nicht. In der Branche gebe es oftmals noch das Märchen des „grünen Marktwertes“.

Dabei werde Nachhaltigkeit und Energieeffizienz bereits heute in Immobilienbewertungen berücksichtigt. Alle seien sich einig, dass ESG wertrelevant geworden sei. Aber die Einflüsse würden bestenfalls in Form von Auf- oder Abschlägen von +10 Prozent bis – 30 Prozent gehandelt. Das sei viel zu pauschal und nicht nachvollziehbar und erfülle damit nicht die Anforderungen von Gutachtern und Gutachten. Die Lösung könnte hier ein CO2-Bewertungs-Tool liefern, dass sich mit dem Einfluss von Energie auf die Ertragsbewertung befasst.

Alessandro Mauri
Alessandro Mauri (Quelle: immobilienmanager/Ben Becker)

Die Welt wird nachhaltig – die Zeit zu handeln ist jetzt – appelliert Alessandro Mauri, Gründer und Geschäftsführer von Voltaro Energy, in seinem Vortrag über erneuerbare Energien. Der Ausbau vor allem von Photovoltaik-Anlagen werde in nächster Zeit an Fahrt aufnehmen, so Mauri. So werde im Jahr 2030 bereits 60 Prozent der Energieproduktion durch erneuerbare Energien von Photovoltaikanlagen kommen.

Vor allem Bestandsgebäude hätten ein enormes Potenzial ungenutzter Flächen. Die Hälfte des geplanten Zubaus soll daher auch über Bestandsgebäude erfolgen. Für die technische und bürokratische Komplexität solch einer Anlage gebe es spezialisierte Anbieter, die auch die Angst vor der Gewerbesteuerproblematik nehmen könnten. Durch die lokale Produktion des Stroms würden vor allem auch Schwierigkeiten wie Netzstabilität umgangen.

"Nur noch mit den richtigen Leuten zusammenarbeiten"

Die Panel-Teilnehmer mit Moderatorin Roswitha Loibl.

Die Umsetzung von ESG-Strategien im täglichen Geschäft hängt mittlerweile nicht mehr nur an digitalen und technischen Werkzeugen, sondern an den Menschen, die sie einsetzen sollen. „Wie schaffen Sie es, im täglichen Klein-Klein der Umsetzung nicht die Lust zu verlieren?“, lautete eine Leitfrage des Panels, an dem Florian Alexander Mall, Head of Corporate Development, Digital & ESG bei DC Developments, Thore Marenbach, Geschäftsführer von Cube Land Development, und Philipp Schedler, Senior Sustainability Manager von Art-Invest Real Estate Funds, teilnahmen.

Schedlers Antwort lautete kurz und knapp: „Indem ich nur noch mit den richtigen Leuten zusammenarbeite.“ Auf die Grundeinstellung komme es an, auf die Überzeugung, dass an ESG kein Weg mehr vorbeiführt. Er blickt mit der Brille des Fondsinitiators auf den kompletten Lebenszyklus einer Immobilie. Welche Energieverbrauchsdaten liegen vor? Bei Neubauten gibt es da noch nicht viel. Was soll mit einem Objekt geschehen? Welche Zielwerte kann es bei der Energieeffizienz erreichen? Zu welchem Zeitpunkt könnte das Asset stranden? „Wir sehen uns die Schnittstelle zwischen Emissions- und Dekarbonisierungspfad sehr genau an“, erläutert er.

Muss ein Fondshaus all diese Arbeiten selbst stemmen? „Man sollte so wenig wie möglich extern vergeben“, ist Schedlers Überzeugung. Berater und Dienstleister könnten Starthilfe geben, aber danach benötige ein Unternehmen seine eigene Abteilung dafür.

Florian Alexander Mall nahm eine Aussage aufs Korn, die ihm auf der Mipim (und auch sonst) viel zu oft begegnete: dass der Faktor S von ESG nicht ausreichend klar und reguliert sei. Unsinn sei das, so Mall. „Als Projektentwickler haben sie jede Menge Einflussmöglichkeiten: durch die Lage der Immobilie, ihren städtebaulichen Kontext. Es gehört zum Standardgeschäft zu fragen, was an einem konkreten Ort fehlt.“ Wer Parameter benötige, können im Scoring-Modell GRESB nachschlagen, dort sei alles Nötige definiert. „Man muss nicht auf die Politik und die EU warten!“

Dr. Andreas M. Rickert
Dr. Andreas M. Rickert (Quelle: immobilienmanager/Ben Becker)

Das Thema Impact Investing brachte Dr. Andreas M. Rickert, Vorstand und Gründer von Phineo sowie Co-CEO von Nixdorf Kapital, mit. Es gehe dabei letztlich nicht nur darum, etwas Gutes zu tun, sondern auch einen Ertrag damit zu erwirtschaften, so Rickert. Er verwaltet unter anderem von Susanne Klatten einen dreistelligen Millionenbetrag, um diesen in Impact-Investing-Modelle zu stecken. Beim Impact Investing wird dem bekannten Raster aus Risiko und Rendite noch eine dritte Dimension hinzugefügt: der Impact. Es geht dabei um einen finanziellen und sozialen Return.

Phrasensammlung zum Thema ESG

ESG ist ein ernstzunehmendes Thema in der Branche geworden. Allerdings ist es für viele auch zum Buzzword verkommen. Das wurde vor allem bei unserer Stoffsammlung für ein „Bullshit-Bingo“ klar. Dabei fragten wir die Teilnehmenden vor Ort, welche Phrasen sie zum Thema ESG nicht mehr hören können. Ganz vorn dabei waren unter anderem:

  • Wir haben DAS ESG Reporting
  • Es ist herausfordernd
  • Das lohnt sich nicht
  • Wir können ESG – wir machen Energiemonitoring
  • Das haben wir schon immer so gemacht
  • Das ist eh alles Greenwashing
  • Bei ESG sind wir ganz vorne mit dabei
Quelle: immobilienmanager/Ben Becker

Wie bei jedem imFokus werden unsere Teilnehmenden aktiv in die Veranstaltung mit Trenddiskussionen und Umfragen eingebunden. Die wichtigsten Ergebnisse haben wir für Sie hier einmal im Folgenden zusammengefasst.

Warum geht es so langsam voran bei der Erfassung von Verbrauchsdaten in Immobilien?

  • Mehrkosten für digitale Zähler vs. Nutzen für Mieter vs. Kostenbeteiligung durch Vermieter.
  • Fehlende Daten, fehlende Digitalisierung und Datenschutz
  • Fehlendes Know-how für die Weiterverarbeitung der Daten.
  • Datenschutzpanik, Personalmangel, zu wenige Druck vom Gesetzgeber, zu akademisch in den Unternehmen gedacht und gemacht
  • Fehlende Motivation

Wie kann es kleinen und mittleren Unternehmen gelingen, ihre Belegschaft für ESG-Themen fit zu machen?

  • Positiv vorleben
  • Einzelne Experten bauen mit der gesamten Belegschaft Basiswissen auf
  • Interne und externe Schulungen, Wissensdatenbanken, Verankerung in der Unternehmenskultur
  • Immobiliennutzer mit einbeziehen
  • In persönliche Ziele der Mitarbeiter integrieren

Was muss unternommen werden, damit „S“ und „G“ größere Bedeutung bekommen?

  • Anreize müssen nicht geschaffen werden, der Mehrwert kommt mit der Umsetzung.
  • Bring- und Holschuld innerhalb der Organisation definieren. Plus proaktive und häufigere Kommunikation in Verbindung mit Mehrwertschafftung.
  • Es muss konkreter werden: Messbare und allgemein akzeptierte Faktoren und Metriken müssen entwickelt werden.
  • Heute Verständnis über den Mehrwert von Morgen schaffen.

Bei der Frage „Wieviel muss Ihr Unternehmen für ESG-Maßnahmen investieren?“ gab eine überwältigende Mehrheit von 62 Prozent einen Horizont von fünf bis zehn Prozent des Jahresumsatzes an. 35 Prozent geben weniger dafür aus und vier Prozent mehr als zehn Prozent.

zuletzt editiert am 11.05.2023