Experten entlang der Bau-Wertschöpfungkette sehen unter anderem die industrielle Vorfertigung und den Modulbau als Chance, so Ergebnisse der Studie „Neues Bauen“ in Zusammenarbeit von BaustoffMarkt und Simon-Kucher.
Nach zwei mageren Jahren mit rückläufiger Bautätigkeit, Umsatz- und Gewinneinbußen beginnt das Jahr 2025 für den Bausektor in Deutschland verbunden mit der Hoffnung darauf, dass die Bautätigkeit anzieht und die Nachfrage wieder ansteigt. So zumindest berichtet ein Großteil der Befragten einer Studie von Simon-Kucher, die gemeinsam mit unserem Schwestermedium aus der Rudolf Müller Mediengruppe, BaustoffMarkt im dritten und vierten Quartal 2024 mit etwa 1.500 Teilnehmern durchgeführt wurde.
Im Rahmen der Studie „Neues Bauen“ wurden über 1500 Teilnehmer entlang der Bau-Wertschöpfungskette von Projektentwicklern, über Planer beziehungsweise Architekten, Bauunternehmungen und Handwerk, bis hin zu Baustoff-Handel und Herstellern von Baustoffen und Gebäudetechnik, zu ihrer Sicht auf die Branche und aktuelle Trends, befragt.
Insgesamt wurden in der Studie 23 Trends abgefragt, die sowohl den Planungsprozess als auch die Bauphase und die Nutzung der Gebäude betreffen. Es fällt auf, dass von den Studienteilnehmern vornehmlich Trends betreffend der Gebäudenutzung mit hoher Wichtigkeit beschrieben wurden. Als besonders wichtig wurden dabei Aspekte der Energieeinsparung im Gebäude-Betrieb und folglich auch in der Planung energiesparender Gebäude angegeben.
Modulbau unter den Top 10
Auch die Themen „Industrielle Vorfertigung“ und „Modulares Bauen“ finden sich unter den Top 10. Wobei ersteres als ein Trend mit sehr hohem Einfluss (90 Prozent) und letzteres mit hohem Einfluss (75 Prozent) angesehen wird.
Paradoxerweise messen Fachleute Trends in der Planungs- und Bauphase eine geringere Bedeutung bei – obwohl gerade diese Prozesse das Bauen effizienter und kostengünstiger gestalten könnten. Themen wie die Digitalisierung der Planung mit BIM, aber auch die Frage der Automatisierung von Bauabläufen bis hin zu Gebäudetyp-e oder dem Einsatz intelligenter Baustoffe mit integrierter Sensorik werden in Fachkreisen viel diskutiert, scheinen aber nach allgemeiner Überzeugung für die nächsten 3 bis 5 Jahre nicht von entscheidender Bedeutung zu sein.
Beim Vergleich der unterschiedlichen Interessensgruppen ist auffällig, dass insbesondere Bauträger, Projektentwickler, Architekten und Fachplaner angeben, sich überdurchschnittlich viel mit neuen Materialien und Verfahren auseinanderzusetzen. Daraus lässt sich ableiten, dass zukünftig mehr neue Materialien und Verfahren im Bau zum Einsatz kommen werden.

Welche Schlüsse ziehen die Befragten für ihre strategische Ausrichtung und wie unterscheidet sich diese entlang der Wertschöpfungskette im Bau? Alle Beteiligten in der Bauwertschöpfungskette sehen die insgesamt hohen Kosten des Bauens als die größte Herausforderung. Folglich ist das Motiv für den Einsatz neuer Materialien und Verfahren das Ziel Baukosten zu senken. Die meisten setzen dabei auf energiesparende Bauweisen. Die Hersteller von Bauteilen und Gebäudetechnik nennen konkret die industrielle Vorfertigung als wichtigsten Trend, um dies zu erreichen. Aus ihrer Sicht können so Bauprozesse beschleunigt und damit Kosten gesenkt werden. Gleichzeitig steigert dies auch ihren Anteil an der Wertschöpfung und damit die Erträge. Da passt es gut ins Bild, dass die Hersteller auch in modularen Bauweisen eine große Chance für sich wahrnehmen. Um diesen Veränderungen zu begegnen, wollen Hersteller verstärkt Produktinnovationen in den Markt bringen.
Auch Bauunternehmen und Handwerker sehen die industrielle Vorfertigung als Chance. Mit der Optimierung der Baustellenlogistik und der industriellen Vorfertigung von Baugruppen sehen die Bau-Ausführenden eine Möglichkeit, die eigene Effizienz zu steigern. Diese sollte ihnen helfen, mehr Projekte abschließen zu können und damit ihre Erträge zu steigern.
Nachhaltigkeits-Vorreiter im Vorteil
Nutzt man den Anteil nachhaltiger Umsätze der teilnehmenden Unternehmen als einen Indikator für die Fortschrittlichkeit im Einsatz neuer Materialien und Bauweisen, so zeigt sich unabhängig von der befragten Interessensgruppe ein konsistenter Trend: Unternehmen mit einem Umsatzanteil von unter 25 bis 35 Prozent nehmen neue Branchentrends mehrheitlich als Gefahr wahr, während Unternehmen mit nachhaltigen Umsatzanteilen über 40 Prozent durchgängig aktuelle Branchentrends als Chance beziehungsweise positive Veränderung wahrnehmen.
Auf Basis dieser Beobachtung wurde die Ausgangsfrage „wann mit einem Anziehen der Bau-Nachfrage zu rechnen ist“ differenziert nach Unternehmen mit hohem beziehungsweise geringem Umsatzanteil taxonomiefähiger Umsätze ausgewertet. Dies hat hohe Relevanz, da durch die EU-Taxonomie-Verordnung ab 2025 wesentlich mehr Unternehmen direkt, und viele weitere indirekt, in die Nachhaltigkeitsberichterstattung gezwungen werden. Als Vorreiter bezeichnen wir dabei jene Unternehmen, die schon heute über 60 Prozent ihrer Umsätze als taxonomiefähig ausweisen. Nachzügler sind solche Unternehmen mit unter 20 Prozent taxonomiefähigen Umsätzen. Das Mittelfeld liegt dazwischen.
Die wichtigste Beobachtung liegt darin, dass Vorreiter die Verbesserung der Nachfragesituation für sich sehr viel früher erwarten als Unternehmen aus dem Mittelfeld oder sogar Nachzügler, die mehrheitlich erst ab 2026 eine Verbesserung erwarten. Dies legt den Schluss nahe, dass der Einsatz neuer Baumaterialien und Verfahren in der Planung und Ausführung Unternehmen dabei hilft, einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen und sich dadurch besser am Markt behaupten zu können.
Als Fazit lässt sich festhalten, dass der Einsatz neuartiger Materialien und Bauweisen dabei helfen kann, die aktuelle Krise schneller zu bewältigen. Selbst wenn sich die aktuell leicht verbesserten Vorzeichen verfestigen, wird dies für 2025 nicht eine Rückkehr zu alten Spitzenjahren bedeuten.
Das verbindende Element all jener Trends, die von den Studienteilnehmern als Fokusfelder für die Zukunft identifiziert werden, ist die Energieeinsparung im Gebäudebetrieb. Gleichzeitig diagnostizieren alle Stufen der Bauwertschöpfungskette, dass Bauen günstiger werden muss. In der Kombination dieser Erkenntnisse liegt die Chance für den Bausektor in Deutschland. Lösungen, die es ermöglichen, den Kostenvorteil in der Gebäudenutzung durch energiesparende Bauweisen schon während der Bauphase nutzbar zu machen, bergen großes Wachstumspotenzial.