Der Lebensmittelhandel steuert auf große Veränderungen zu, Mischnutzung liegt im Trend und viele Ladengeschäfte werden schließen - die aktuelle Expertenumfrage der Berlin Hyp "Trendbarometer" mit dem Fokusthema Einzelhandel.
Die Berlin Hyp hat wieder mehr als 200 Immobilienexperten aus dem In- und Ausland zu ihrer Einschätzung zu den Trends der deutschen Immobilienbranche befragt. Diesmal mit dem Fokus auf das Thema Einzelhandel. Dem gegenübergestellt wurde die Meinung der Bevölkerung, die über das Umfragetool Civey erhoben wurden.
Online-Marktplätze prägen den Non-Food-Markt
Der E-Commerce ist mittlerweile schon ein viertel Jahrhundert alt. Hinter diesen 25 Jahren steckt eine große Entwicklung, mit vielen Verbesserungen und Innovationen. Der Versandhandel ist beliebt und sehr erfolgreich. Die Anzahl der E-Commerce-Nutzer in Deutschland sowie der Umsatz steigen stetig. Die Zeit des Lockdowns und der verschärften Einkaufsbeschränkungen haben ihr Übriges dazu beigetragen, diesen Trend noch zu verschärfen.
So ist es nicht verwunderlich, dass 60 Prozent der befragten Personen vermuten, die Bevölkerung wird in Zukunft vorwiegend auf Online-Marktplätzen (35%) und im Online-Shop (25%) einkaufen. 30 Prozent der Experten glauben, die Bevölkerung wird im stationären Ladengeschäft einkaufen und zehn Prozent gehen von Click & Collect als dem bevorzugten Einkaufsmodell aus.
Etwas anders das Meinungsbild der über das Umfragetool Civey befragten 2.500 Personen. Hier wollen 50,8 Prozent der befragten Personen überwiegend das Online-Angebot der Händler inklusive Online-Marktplätze nutzen. Überraschend ist, dass 65,5 Prozent der befragten Personen vorwiegend über den stationären Einzelhandel ihre Waren beziehen wollen. Diese Entwicklung bleibt abzuwarten und würde dem traditionellen Einzelhandel sicherlich den dringend benötigten Aufschwung bringen.
Veränderter Lebensmittelhandel
Es scheint, der Lebensmittelhandel steuert auf große Veränderungen zu. Jeweils 26 Prozent der befragten Personen gehen davon aus, dass die Warenpräsentation hochwertiger werden muss, egal ob Supermarkt oder Discounter und dass traditionelle Wochenmärkte wieder an Bedeutung gewinnen. Für 22 Prozent wird der Online-Lebensmittelhandel populärer werden. Einen Trend hin zu mehr kleinteiligem Lebensmittelhandel sehen lediglich zehn Prozent und zu mehr großflächigem Lebensmittelhandel acht Prozent der befragten Experten.
Das Meinungsbild der über das Umfragetool Civey befragten 2.500 Personen bezüglich ihres bevorzugten Lebensmittelhändlers könnte die Ansicht der Trendbarometer-Experten unterstützen. Die überwiegende Mehrheit der befragten Personen wollen zukünftig ihre Lebensmittel im Supermarkt und im Discounter kaufen, insofern würde eine hochwertigere Präsentation der Waren diesen Trend noch unterstützen. In Abweichung zur Trendbarometer-Umfrage, wollen jedoch nur 1,6 Prozent der befragten Personen Lebensmittel über den Online-Lebensmittelhandel beziehen.
Zusätzliche Services gewinnen an Bedeutung
77 Prozent und damit die überwiegende Mehrheit der befragten Personen geht davon aus, dass zusätzliche Services und Dienstleistungen im stationären Einzelhandel immer wichtiger werden. 13 Prozent der befragten Personen stimmen dem weniger zu und drei Prozent überhaupt nicht, während vier Prozent unentschieden sind und drei Prozent sich mit diesem Thema noch nicht auseinandergesetzt haben.
Wenn der stationäre Einzelhandel seinen Platz behaupten möchte, muss er neben der klassischen Warenpräsentation einen Mehrwert bieten, um gegenüber dem Online-Handel konkurrenzfähig zu bleiben. Die Möglichkeiten sind Vielfältig: Click & Collect, Reparaturen, Personal-Shopping, Teststrecken für Fahrräder und Computeranalyse bei Sportschuhen sind nur einige Beispiele. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Wichtig scheint nur zu sein, dass aus dem Einkauf im Ladengeschäft ein Erlebnis wird.
Trend hin zu Verkleinerung und Ladenschließungen
Der stationäre Einzelhandel wird sich räumlich verkleinern, so zumindest die Meinung von 60 Prozent der befragten Personen (16% Stimme voll zu, 44% Stimme eher zu). 24 Prozent stimmen dieser These weniger und acht Prozent überhaupt nicht zu. Wenn man jedoch das Wachstum des Online-Handels und die hohen Ladenmieten berücksichtigt, scheint eine zunehmende Verkleinerung der Ladenflächen sehr wahrscheinlich: Wo weniger Umsatz gemacht wird, ist weniger Ladenfläche leistbar und notwendig.
"Dennoch kann man nicht alles über einen Kamm scheren. Hier muss man stark differenzieren und langfristige Entwicklungen im Blick haben", so Sascha Klaus , Vorstandsvorsitzender Berlin Hyp. "Bei den innerstädtischen Einkaufsstraßen und Einkaufszentren kommt allerdings der Brennglaseffekt der Pandemie zum Tragen. Es wird jetzt noch viel deutlicher sichtbar, unter welchem Druck das Modell steht. Dies bedeutet jedoch nicht das Aus für diese Konzepte. Der Bedarf nach einem klassischen Einkaufserlebnis, verbunden mit dem Ansehen, Anfassen und dem sofortigen 'Nach-Hause-Tragen' des Einkaufsguts wird nicht verschwinden."
Nicht nur die Verkleinerung der Ladenflächen, sondern auch mögliche Schließungen beim stationären Einzelhandel halten 68 Prozent der befragtenPersonen für wahrscheinlich. 24 Prozent stimmen weniger und fünf Prozent stimmen überhaupt nicht zu. Eine Schließungswelle bei den stationären Einzelhändlern hätte viele Auswirkungen: Die Innenstädte veröden, individueller Bedarf kann schwieriger gedeckt werden, anprobieren, fühlen und bei Licht betrachten ist nicht mehr möglich. Alles muss bestellt und bei Nichtgefallen zurückgeschickt werden. Dies auch mit Auswirkungen auf die Umwelt: Papiertonnen quellen über von Verpackungsmaterial, retournierte Ware wird teilweise zerstört, weil unwirtschaftlich und die Transportunternehmen müssen ihren Fuhrpark aufstocken.
Mischnutzung im Trend
Der Trend hin zur Mischnutzung macht auch vor dem Einzelhandel nicht halt. So sehen dies zumindest 71 Prozent der befragten Personen, wohingegen 20 Prozent der Experten weniger und vier Prozent überhaupt nicht zustimmen. Mixed-Use-Immobilien gehören längst zum Standard. Diese Art der Immobilien bündelt verschiedene Funktionen und Lebensbereiche auf engem Raum. Die gemischte Nutzung von Immobilien entspricht der modernen Stadtentwicklung.
Mit der zunehmenden Digitalisierung und dem Umstieg auf mobiles Arbeiten wird sich die Nutzung von Büroflächen verändern. Der Wohnungsbau ist in Deutschland mit vielen Auflagen versehen und der Einzelhandel steht einem wachsenden E-Commerce gegenüber, was sich durch die Pandemie und die monatelangen Schließungen vieler Geschäfte noch verstärkt hat.
Einseitig genutzte Immobilien können sich dadurch als wirtschaftlich ineffizient erweisen. Bei gemischt genutzten Immobilien wir das Objekt für verschiedene Zwecke rund um die Uhr genutzt und das Risiko gestreut. Die einzelnen Elemente unterliegen zwar weiter den Marktzyklen ihrer jeweiligen Nutzungsart, die Auswirkungen auf die gesamte Immobilie sind jedoch abgeschwächt. So bleiben Flächen immer attraktiv, können schneller vermietet werden und wirken Unterbrechungen des Cashflows durch deutlich kürzeren Leerstand entgegen.
Deutscher Immobilienmarkt bleibt attraktiv
Das Zinsniveau prägt den Immobilienmarkt im kommenden Immobilienjahr (23%), gefolgt von Deutschland als „sicherer Hafen“ mit 19 Prozent und politischen Rahmenbedingungen (17%). Die Covid-19-Pandemie folgt mit 16 Prozent, Kaufpreisentwicklung mit zehn Prozent und EU-Taxonomie mit sechs Prozent. Das Schlusslicht bilden Klimarisiken (5%), Wirtschaftskrise (3%) und andere exogene Schocks mit einem Prozent.
Dieses Ergebnis zeigt, wie unbeeindruckt der Immobilienmarkt von der Covid-19-Krise ist. Die Unterstützungsmaßnahmen der Bundesrepublik haben Wirkung gezeigt und der Immobilienmarkt hat Resilienz und Zukunftsfähigkeit bewiesen. Angesichts der hohen Transaktionsvolumina ist der deutsche Immobilienmarkt immer noch der Stabilitätsanker der deutschen Wirtschaft. Noch in den vergangenen Umfragen war die Covid-19-Pandemie der unangefochtene bestimmende Faktor.