Zinswende, steigende Baukosten, zunehmende Regulierung – das Geschäft mit Seniorenimmobilien ist anspruchsvoller geworden. Gleichzeitig stehen die Zeichen weiter langfristig auf Wachstum, und die Angebotsformen entwickeln sich aktuell sehr dynamisch.
Auch wenn die Spitzen-Rendite für Seniorenimmobilien zuletzt stagniert beziehungsweise auf aktuell gut vier Prozent gesunken ist: Der Nachfrage von Investorenseite tut das keinen Abbruch. Sie ist weiter deutlich größer als das Angebot, und alles spricht dafür, dass dies auch so bleiben wird. Denn auch in Zeiten steigender Baupreise und Zinsen bleibt diese Asset-Klasse interessant: Die Renditen sind nach wie vor im Marktvergleich höchst solide und liegen vor allem deutlich über denen von Gewerbe-, Handel-, Büro- oder Wohnimmobilien. Und die Bevölkerungsentwicklung sorgt für eine langfristige Wachstums-Perspektive.
Kaufpreisrallye dürfte vorbei sein
Allerdings verändern sich gerade einige Marktbedingungen: So machen sich insbesondere in der Renditekalkulation von Investoren, die Ankäufe nicht nur aus Eigenkapital finanzieren, die steigenden Finanzierungszinsen bemerkbar. Da nun ein größerer Anteil der Mieterträge für Zins und Tilgung des Fremdkapitals verwendet werden muss, verbleibt ein geringerer Mietanteil zur Ausschüttung. Sind Renditeziele und Miete fix, lässt sich das nur über einen niedrigeren Kaufpreis kompensieren. Es spricht also einiges dafür, dass die Zeit der „Kaufpreisrallye“ vorbei ist.
Hinzu kommen weiter steigende Baukosten, die bislang über höhere Kaufpreise ausgeglichen wurden. Dies wird künftig so nicht mehr möglich sein. Die entstehende Lücke durch höhere Mieten über eine Nachverhandlung mit dem Betreiber zu schließen, ist meist schwierig: Bei den vereinbarten Mieten ist häufig wenig Spielraum nach oben.

Hier kommt auch die aktuell hohe Inflation ins Spiel. Die Mietverträge enthalten in der Regel sogenannte Indexklauseln zur Anpassung an steigende Lebenshaltungskosten. Gängig sind Anpassungen, wenn die Lebenshaltungskosten um einen bestimmten Schwellenwert steigen, üblicherweise zehn Prozent. Auf dieser Grundlage hatten Betreiber von 2000 bis 2020 maximal zwei Mieterhöhungen. Im selben Zeitraum sind bei Pflegeheimen die für die Refinanzierung der Miete relevanten Investitionsfolgekostenanteile im Pflegesatz nur marginal (bei vielen Einrichtungen gar nicht) gestiegen. Ist die aktuell hohe Inflation von Dauer, kommen auf die Betreiber innerhalb weniger Jahre mehrere Mieterhöhungen zu, die sie in der Regel nur sehr bedingt über die Investitionsfolgekosten refinanzieren können.
Neben dem klassischen Pflegeheim, das nach wie vor den Löwenanteil des Marktes ausmacht und – allen Unkenrufen zum Trotz – auch langfristig unverzichtbar sein wird, entwickelt sich derzeit eine andere Angebotsform sehr dynamisch: Einrichtungen des betreuten Wohnens. Das Spektrum reicht dabei vom Wohnen mit Grundleistungen, das heißt etwa Hausnotruf, über mehr oder weniger umfassenden Betreuungs- und Serviceangeboten bis hin zu hochpreisigen Premiumangeboten mit hotelähnlichem Charakter. Häufig wird auch betreutes Wohnen mit vollstationären Einrichtungen, Tagespflege oder ambulanten Wohngemeinschaften kombiniert.
Gestiegene Ansprüche der „neuen Alten“
Zum einen kommen solche Angebote den gestiegenen Ansprüchen an ein selbstbestimmtes Altwerden entgegen. Die Generation 65+ ist individueller, aktiver und digitaler als je zuvor. Wer gewohnt ist, aus einem breiten Angebot wählen zu können, will dies auch im Alter tun. Auch die finanziellen Möglichkeiten unterscheiden sich stark: Zwar wird das Rentenniveau langfristig sinken, zugleich verfügt vor allem die Babyboomer-Generation über mehr angespartes Vermögen als jede Generation zuvor. Betreiber und Investoren stellen sich mit flexiblen, niedrigschwelligen Angeboten deshalb mehr und mehr auf diese Generation ein.
Hinzu kommt, dass der Betrieb solcher Einrichtungen deutlich weniger reguliert ist als klassische Pflegeheime. So gelten dort etwa keine Fachkraftquoten. Auch für die Immobilie selbst gelten geringere gesetzliche Anforderungen, sodass sie in der Regel „zweitverwendungsfähig“ ist. Und während die Refinanzierung einer Pflege-Einrichtung an gesetzlich festgelegte Investitionskostensätze im Pflegesatz gebunden ist, gilt im betreuten Wohnen das ganz normale Mietrecht. Das bedeutet: Preissteigerungen können über die Mieten leichter kompensiert werden als bei Pflegeheimen. All dies macht diese Asset-Klasse gerade für Investoren interessant, die neu in den Markt einsteigen. Allerdings sollte man nicht meinen, dass die Bewohner bereit sind, jeden Mietpreis zu zahlen. Auch hier gelten die Gesetze des Marktes.
Digitalisierung als neuer Ausstattungsstandard
Ein weiterer Trend, der die Branche in den nächsten Jahren stark prägen und weiterentwickeln wird, ist die Digitalisierung. Digitalisierungslösungen spielen schon jetzt in Senioren-Einrichtungen eine immer wichtigere Rolle. Sogenanntes „Ambient Assisted
Living“, also altersgerechte Assistenzsysteme, reduzieren das Selbstgefährdungspotenzial, erhöhen die Selbstständigkeit der Bewohner und entlasten Personal. „Wearables“ messen und überwachen wichtige Körperwerte, telemedizinische Angebote wie die digitale Sprechstunde mit dem Hausarzt erhöhen Komfort und Sicherheit. Dies alles muss bei der Planung von neuen Einrichtungen mit berücksichtigt werden – ein leistungsfähiges WLAN gehört deshalb inzwischen zur Grundausstattung.
Bei der Standortwahl gilt weiterhin das Ideal „vorne der Marktplatz, hinten der Stadtpark“, das heißt zentrale städtische oder Stadtteillagen mit guter Anbindung an Nahversorgung und Einrichtungen des täglichen Bedarfs. Weil gute Standorte jedoch zunehmend rar sind, müssen hier häufig Kompromisse eingegangen werden. Bei reinen Pflegeheimen, deren Bewohner kaum noch mobil sind, kann auf den „Stadtpark“ verzichtet werden. Liegt der Schwerpunkt auf betreutem Wohnen, sind fußläufige Nahversorgung sowie Kultur- und Erholungsangebote unverzichtbar.
Ideal ist die Entwicklung ganzer Quartiere, beispielsweise auf ehemaligen Industrieflächen. Städte und Kommunen haben dort die Chance, im Rahmen einer zukunftsorientierten Stadtentwicklung eine bedarfsgerechte Mischung aus Wohnen, Pflege, betreutem Wohnen und Dienstleistungsangeboten zu schaffen. Insbesondere mittlere und kleinere Städte können dadurch ihre Attraktivität deutlich erhöhen.
Sozialimmobilien haben sich immer wieder – zuletzt in der Corona-Pandemie – als krisenstabiler Wachstumsmarkt erwiesen, der keinen konjunkturellen Schwankungen unterliegt. Gerade für langfristig orientierte Investoren wie Versicherungen, Pensionskassen, REITs oder Family Offices sind Seniorenimmobilien ein hochinteressanter Markt.
Autor: Markus Bienentreu