Die Mipim im südfranzösischen Cannes lockte die Branche zur denkbar besten Zeit, denn was kann es Schöneres geben, als wenigstens bei Sonnenschein und frühlingshaften Temperaturen über Krisenszenarien und die Hoffnung auf bessere Zeiten zu sprechen. Von André Eberhard
Nach zwei Tagen Messe könnte unser Fazit nicht unterschiedlicher ausfallen. Mit der Erwartung gefahren, dass alle von schlechten Zeiten und schwierigen Geschäften berichten werden, kommen wir wieder mit der Hoffnung, dass es weniger schlimm kommen wird als vielfach erwartet. Die harten Fakten sind dabei natürlich erstmal nicht vielversprechend. Hohe Baukosten, Inflation, Zinsentwicklung, Energiekrise, Ukrainekrieg, Personalmangel und jetzt auch noch Bankenprobleme – all das führt nicht gerade zu Euphorie unter den Messebesuchern. Und dennoch bleibt am Ende wieder die Weisheit, dass konservative Finanzierungsstrukturen in der Vergangenheit, viele Marktteilnehmer zukünftig ruhiger schlafen lassen werden.
Nach zehn Jahre Champusstimmung, war diese Mipim von neuer Ernsthaftigkeit geprägt. Es war für viele eine echte Arbeitsmesse, die weniger durch konkrete Abschlüsse glänzte, als durch viele intensive Gespräche. Deren Inhalte drehten sich oftmals um das eine beherrschende Thema: Wann springt der Investmentmarkt wieder an? So hörte man, dass viele Messebesucher vor allem auf der Suche nach Käufern waren. So schnell ändern sich die Zeiten.
Das große Ganze
Die Branche hat verstanden. Nachhaltigkeit, soziales Handeln sind gleichbedeutend mit wirtschaftlichem Erfolg. Einzig der Regulator wirke derzeit wenig unterstützend, sondern teilweise eher hilflos. Es brauche dringend mehr politische Unterstützung und diese eben nicht in Form von massiver Kapitalschwemme. Es brauche ein starkes KFW-Programm mit Zinsen unter zwei Prozent, mahnt ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner. Bis zum Jahr 2025 werden uns 700.000 Wohnungen fehlen habe der ZIA ermittelt. Die derzeitigen Signale aus der Branche, in diesem Jahr gar nicht mehr zu bauen, sollten die Bundesregierung stark beschäftigen, schließlich würde das auch bedeuten, auch auf Steuereinnahmen aus dem Baugewerbe komplett zu verzichten, so Mattner. Auch die Senkung der Grunderwerbsteuer könne hilfreich sein, schließlich seien auch geringere Steuereinnahmen immer noch besser als keine Einnahmen im Staatshaushalt.
Dass die drei wichtigsten politischen Ämter für die Immobilienwirtschaft dann auch noch in drei unterschiedlichen politischen Lagern beheimatet sind, macht die Sache nicht einfacher. Allerdings habe man beim ZIA noch nie so eng vor allem mit Bundesbau- und Finanzministerium zusammengearbeitet. „Ich habe oft das Gefühl, dass Herr Lindner meine Fragen oftmals schneller beantwortet, als ich die Fragen stellen kann“, schmunzelt Mattner im persönlichen Gespräch.
Deutschland bemühe sich zwar, Vorreiter zu sein in Sachen ESG, andere Länder haben uns hier allerdings schon längst überholt. Deutschland verstrickt sich immer mehr im regulatorischen Wahnsinn. Solange die Lobby der Dämmspezialisten auf Robert Habecks Schoss Platz genommen hat, wird selbst dieser Irrsinn noch weitere Kreise ziehen. Wir müssen endlich einfach und serieller Bauen, mahnen Branchenexperten, allen voran der ZIA.
Was geht und was nicht?
Besonders oft sprachen wir auf dieser Messe über Nischen und spezielle Investmentstrukturen. „Die Zeit für ÖPP-Projekte zum Beispiel im Bau von Schulen sei besonders günstig“, so Jens Lütjen, geschäftsführender Gesellschafter von Robert C. Spies aus Bremen. Gerade die öffentliche Hand werde in Zukunft erhebliche Problem bei der Sanierung ihrer Bestände bekommen. Es gebe unterdessen genügend private Kapitalgeber, die bereit seien lieber in die Zukunft der jungen Generation zu investieren als dem Verrotten von Schulen und Kitas weiter zuzuschauen.
Auch Logistik, Hotel, Ferienimmobilien und Parkhäuser waren Gesprächsthema. Logistik entwickelt sich immer mehr zur konjunkturunabhängigen Assetklasse. Alle sind scharf auf die quadratischen Kisten an Deutschlands Autobahnen. Einzig die knappen Flächen bremsen die Euphorie. Die Nachfrage bleibt unterdessen ungebrochen hoch. Das könnte in die Diskussion für neue Konzepte wie zweistöckige Logistikimmobilien neue Ernsthaftigkeit bringen. Auch wenn Profis wie Garbe derzeit noch die Finger davonlassen, da die Umsetzung äußerst komplex sei, wird bei anhaltend hoher Nachfrage keine große Wahl bleiben als die vorhandenen Flächen zu optimieren.
Ebenso auf der Agenda stehen Australien und Irland. Vor allem in letzterem will sich Real I.S. CEO Jochen Schenk stärker engagieren. „Wir beabsichtigen in den irischen Mietwohnungsmarkt zu investieren“, verkündet Schenk auf der Messe. Die Iren sind nicht gewohnt zu Mieten, seien aber aufgrund der auch dort stark gestiegenen Preise für Eigentum quasi dazu gezwungen. Auch Downunder, wo die Münchner schon länger engagiert sind, wolle man verstärkt wieder investieren.
Und die jungen Wilden?
Auch wer meint, dass die Zeit der Proptechs nun erstmal vorbei sei, wurde auf der Messe eines Besseren belehrt. „Die Proptechs sind zwar immer noch allein im Keller, die Mipim lohnt sich aber trotzdem deutlich mehr als früher, ganz einfach, weil mehr wichtige Proptechs da sind und der Austausch auch über Ländergrenzen hinweg sehr gut funktioniert“, so Karsten Nölling, Vorsitzender der Geschäftsführung bei KIWI.KI. „Beim ZIA Empfang waren gefühlt 15 Prozent der Teilnehmer:innen Proptechs. Das wäre vor 5 Jahren nicht möglich gewesen.“ Proptechs könnten gerade bei dem immer stärker werdenden Druck auf die Bestände eine entscheidende Rolle einnehmen. Durch mangelnde Neubauaktivitäten, könnte hier der Druck nochmals zunehmen.
Wie geht es weiter?
Der Großteil der immobilienwirtschaftlichen Experten war sich einig; die Branche ist im Umbruch – und das muss nicht negativ sein. Sicherlich beschäftigen einige die wirtschaftlichen Rahmendaten für ihr zukünftiges Geschäft enorm, kein Zweifel. Wer allerdings die letzten zehn Jahre kein Polster aufgebaut hat, geglaubt hat, es ginge ewig so weiter, oder gar sein immobilienwirtschaftliches Handwerk nicht versteht, hat auch am Markt nur wenig Existenzberechtigung.
Von „spannenden Zeiten“, „Krise kann auch Chance sein“ und „konservative Kalkulation in der Vergangenheit“ haben wir öfter stimmen vernommen. Die grundlegenden Funktionsweisen des Immobilienmarktes funktionieren nach wie vor. Anders als in der Finanzkrise, werden keine großen Risiken auf den Kapitalmärkten erwartet. Große Zahlungsausfälle oder Prolongationsschwierigkeiten hat kein Banker im Gespräch auch nur angedeutet. Auf dem Investmentmarkt werde es allerdings weiterhin Stillstand geben. Erst gegen Ende des Jahres rechnen einige Akteure wieder mit mehr Bewegung am Markt. Derzeit seien Erwartungen von Käufern und Verkäufern noch zu weit auseinander. Es werde Zeit brauchen, bis sich das Marktgleichgewicht gefunden habe.
„Das Grundgefühl auf dieser Mipim ist abwartend, beobachtend“, meint Nicolas Brinkmann, Sprecher der Geschäftsführung von Hansainvest Real Assets. „Keiner wagt sich aus der Deckung. Das bisherige Repricing reicht noch nicht aus, um auf breiter Front wieder für mehr Transaktionen zu sorgen. Das heißt aber nicht, dass es nicht trotzdem Opportunitäten gäbe. Auch in diesem Umfeld sind attraktive Deals möglich, nur eben derzeit noch nicht so häufig.“
ESG und Digitalisierung
Erstaunlich wenig Gespräche drehten sich explizit um die beiden großen Megatrends. Das freut einerseits, denn zeigt, dass ESG vollends angekommen scheint und zur Normalität geworden ist, könnte aber auch andererseits bedeuten, dass die wirklichen Ausmaße einer erneut verschärften ESG-EU-Taxonomie nicht erkannt würden. Vor allem das Facility Management würde hier eine derzeit noch unterschätzte Schlüsselrolle einnehmen, meint Christiane Conrads, Global Real Estate ESG Leader bei PwC.
Und sonst? Party? Boote? Champagner?
Es war eine ruhige Messe im Vergleich zu früher. Die Stände waren voll, aber nicht überfüllt. Die Musik war auf nettem Miteinander und weniger auf Partylautstärke. Die Boote waren (leider) nach wie vor große Dieselschleudern. Dabei gibt es mittlerweile auch hier sehr schöne ökologische Alternativen. Das größte Yacht hatte übrigens René Benko, der selbst auch vor Ort war. In richtiger Partylaune war kaum jemand. Die deutschen Stände waren mal wieder am besten besucht. Der Keller, der diesmal auch einen „Road to Zero“ Bereich beinhaltete, war wie immer leer. Unternehmensvertreter mit Ständen in besagtem Bereich waren entsprechend enttäuscht.
Die Mipim war richtig und wichtig - die üblichen Schwierigkeiten mit dem Austragungsort mal außer Acht gelassen. Austausch, Vernetzung, Miteinander werden umso wichtiger. Dazu sind alle Branchenakteure bereit. Ob eine Branche, die nachhaltiger, ökologischer und sozialer sein möchte sich in einer Immobilie trifft, die kaum weniger für all diese Themen stehen könnte, bleibt allerdings fraglich.