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Machine Learning in der Immobilienwirtschaft: Alles dreht sich um Daten, Daten, Daten (Bild: istockphoto.com)

Management 8. June 2016 Machine Learning in der Immobilienwirtschaft

Künstliche Intelligenz und Machine Learning klingen nach Science Fiction. Dabei sind sie in anderen Branchen längst gang und gäbe. Für die Immobilienwirtschaft versprechen sie wertvollen Nutzen.

Machine Learning kann auch in der Immobilienwirtschaft in unzähligen Bereichen genutzt werden, um Geschäftsprozesse zu optimieren, automatisieren oder neu zu gestalten. Viele Prozesse von finanzieller Due Diligence, über die Konzipierung eines Investment Cashflows, bis hin zur Bauplanung unterliegen externen Normen und internen, unternehmensspezifischen Richtlinien. Diese Prozesse sind somit teilweise standardisiert, bedürfen jedoch stets menschlicher Arbeit. Dies bindet im Unternehmen nicht nur Zeit und Kapital, sondern birgt die Gefahr einer Fehleinschätzung oder -Entscheidung.

Der Vorteil von Machine Learning ist, dass die Fehlerquote minimiert werden kann. Kostspielige Fehler können somit auf Dauer erheblich reduziert werden, was gerade bei hohem Leverage oder einer risikoaffinen Kapitalstruktur gewünschte Sicherheit bringt. Machine Learning spart somit Kosten und beugt Risiken vor.

Nicht zu vernachlässigen ist auch der Fakt, dass selbst ein großes Team von erfahrenen Statikern, Architekten, Investment Analysten und weiteren Experten, nur einen begrenzten Dateninput kognitiv verarbeiten kann. Gesammelte Daten, etwa von vergleichbaren Transaktionen, für die Marktforschung oder die einzelnen Bestandteile einer Due Diligence, müssen erst gefunden, gesammelt, gereinigt, aggregiert und interpretiert werden. Jede der besagten Stufen birgt ein Fehlerrisiko. Hinzu kommt, dass die Menge der zu verarbeitenden Daten durch den Faktor Mensch limitiert ist.

Machine Learning funktioniert rund um die Uhr. Es gibt keine Nachtruhe, Wochenenden, Urlaub und Feiertage, sondern rasch skalierbare Datenverarbeitungsprozesse, deren limitierende Faktoren die Verfügbarkeit von Daten, Rechenleistung und gut ausgearbeiteten Modellen sind. Daten können und müssen gesammelt werden. Des Weiteren gibt es eine schier unendliche Menge von frei verfügbaren Open Source Daten.

Die Crux an der Immobilienwirtschaft
Rechenleistung ist durch Cloud Computing und Zugang zu Quanten Computern, wie IBMs Watson, kein Problem mehr. Es braucht keine eigenen Serverfarmen und kostenintensive IT Infrastruktur, sondern aufgeklärte Digital Evangelists im Unternehmen, die die digitalen Prozesse verstehen und einrichten.

Heut sind gut ausgearbeitete Modelle der limitierende Faktor. Die Immobilienwirtschaft kämpft noch mit der Digitalisierung, während sie in anderen Branchen längst angekommen ist. Es mangelt an Talenten die Wissen aus Immobilienwirtschaft mit Kreativität und Innovation in den technischen Bereichen der Zukunft sinnhaft verbinden.

Was braucht man?
Neben talentierten Programmierern mit immobilienwirtschaftlichem Know-how, gutem Change Management und Digitalisierungsexpertise, bedarf es vor allem Daten, Daten und nochmals Daten.

Die Datenlage in Deutschland ist das Bottleneck und ein eigenes Themengebiet. Salopp formuliert: In Deutschland gibt es zu wenig einheitliche Daten, die frei verfügbar sind. Es mangelt an Transaktionstransparenz und standardisierten Datensets, die als Input für Supervised Learning Modelle genutzt werden können. Deshalb ist es nicht nur notwendig, bereits jetzt an Digitalisierung und unternehmensinternen Machine Learning Modellen zu feilen, sondern gehaltvolle Datensets anzulegen, die gut verarbeitet werden können.

Was sich konkret umsetzen lässt

  • Falls Sie innerhalb Ihres Unternehmens Experten an der Schnittstelle von Digitalisierung, Machine Learning und Immobilienwirtschaft haben, dann sollte eine Task Force gebildet werden, die alle Prozesse auf Automatisierbarkeit untersucht. Ziel ist es, ineffiziente Prozesse zu finden, die leicht durch Machine Learning optimiert werden können. Bei erfolgreicher Implementierung können dann komplexere Bereiche adressiert werden.
  • Isolieren Sie einen Prozess und analysieren Sie die einzelnen Schritte. Überlegen Sie welche Daten den Entscheidungsprozess begleiten sowie gemessen werden könnten.
  • Erstellen Sie ein Datenset und implementieren Sie eine automatisierte Zuführung neu erhobener Daten in das Datenset. Dieses wird als Trainings -und Testinggrundlage dienen.
  • Einhergehend können bereits bekannte Modelle angewandt werden. Kritisch ist die Formulierung einer zu minimierenden Kostenfunktion oder einer zu maximierenden Performancefunktion, die den späteren Output des Modells bewertet. Komplexitätsreduktion ist oftmals der Schlüssel zum Erfolg und individuell für jeden Sachverhalt zu entwickeln.
  • Nachdem das Modell trainiert wurde, muss es sich in der Praxis bewähren. Im Machine Learning ist dieser Prozess, im Gegensatz zu konventioneller Softwareentwicklung, dynamisch und iterativ.

Gewisse Schlüsse können bereits jetzt aus anderen Märkten gezogen werden. Gerade im Bereich von Trendforschung, Makrozyklen, Risikomanagement und anderen Bereichen können Daten aus dem United Kingdom sowie anderen Ländern mit besserer Datenlage, genutzt werden. Mit ihnen lassen sich Machine Learning Modelle trainieren, die auf den deutschen Markt teilweise übertragbar sind. Die Möglichkeit zu innovieren besteht also schon heute und sollte ergriffen werden.

Autor: Viktor Weber ist Gründer und Leiter des Future Real Estate Institute mit Sitz in München.

zuletzt editiert am 31.05.2021