Die Zukunft der Life Sciences ist datengetrieben und verändert die Anforderungen an Planung, Bau und Betrieb von Immobilien grundlegend. Besonders in Deutschland braucht es neue Antworten auf die digitale Transformation des Sektors.
Technologiegetriebene Transformation in der Forschung
Während einzelne pharmazeutische Investitionen in letzter Zeit zurückgefahren wurden, zeichnet sich im europäischen Life-Sciences-Sektor eine neue Dynamik ab mit Risikokapitalzusagen in Milliardenhöhe, neue Forschungscluster wie München-Martinsried mit Forschungsstandorten wie dem Innovations- und Gründerzentrum für Biotechnologie (kurz: IZB) und vor allem einem starken Fokus auf digitale Infrastrukturen. Insbesondere Partnerschaften zwischen Big Pharma und Big Tech beschleunigen diesen Wandel. Unternehmen wie Eli Lilly und Johnson & Johnson arbeiten mit KI-Größen wie Nvidia zusammen, um fortschrittliche Rechenwerkzeuge für die Arzneimittelforschung und personalisierte Medizin zu nutzen. Diese Kooperationen zielen darauf ab, den Zeit- und Kostenaufwand traditioneller F&E-Modelle drastisch zu reduzieren und gleichzeitig die Infrastrukturanforderungen vor Ort zu stärken. Der Fokus auf künstliche Intelligenz, personalisierte Medizin und automatisierte Prozesse verändert auch die Anforderungen an moderne Forschungsstandorte.
Für die Entwicklung von Immobilien im Bereich Life Sciences in Deutschland bedeutet dies konkret, dass Organisationen angesichts der Entwicklung von Life-Science-Campus zu noch datenintensiveren Ökosystemen nun die steigenden Daten- und Verarbeitungslasten bewältigen müssen. Es geht nicht mehr nur um Labore und Reinräume, sondern um leistungsstarke, hochsichere digitale Infrastrukturen, entweder vor Ort oder durch Partnerschaften.
Vom Rechenzentrum zum Forschungskatalysator
Noch vor wenigen Jahren lag der Fokus auf Cloud-Diensten und ausgelagerten Serverlösungen. Die zunehmende Komplexität datengesteuerter Forschungsprozesse, wie beispielsweise simulationsbasierte klinische Studien, erfordert jedoch neue Strategien. Viele Unternehmen ziehen nun wieder eigene Rechenzentren oder hybride Infrastrukturen in Betracht.
Solche Systeme bieten eine bessere Kontrolle, geringere Latenzzeiten und verbesserte Integrationsmöglichkeiten mit bestehenden IT-Systemen. Außerdem sind sie aus regulatorischer Sicht oft einfacher zu verwalten. Dies ist ein entscheidender Punkt in einem stark regulierten Umfeld wie dem der Biowissenschaften.
In diesem Zusammenhang wird das Rechenzentrum selbst zu einem strategischen Vermögenswert. So wie sich das dänische Pharmaunternehmen Novo Nordisk in Zusammenarbeit mit Nvidia und einem Supercomputerzentrum auf KI-basierte Forschung konzentriert, etablieren auch andere europäische Standorte zunehmend hochvernetzte Forschungscampus mit eigener Infrastruktur.
Standortwahl neu denken: Energie, Glasfaser, Skalierbarkeit
Diese Entwicklung hat weitreichende Konsequenzen für die Standortwahl. Neben traditionellen Faktoren wie der Nähe zu Universitäten oder der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte treten neue Kriterien in den Vordergrund: die Verfügbarkeit von noch mehr Energie (insbesondere Ökostrom), leistungsstarke Glasfaserverbindungen und Raum für technisches Wachstum.
Das britische Modell des „Grey Belt“ zeigt, wie das Planungsrecht modernisiert werden kann: Dort ist es möglich, ausgewählte Gebiete mit geringem Umwelt- und Erholungswert für strategische Campusentwicklungen freizugeben, sofern diese einen klaren wirtschaftlichen Mehrwert bieten. Ein solcher Ansatz könnte auch dazu beitragen, technologieorientierte Cluster in Deutschland zu stärken.
Synergien nutzen: Gemeinsam planen für Effizienz
Im Hinblick auf den Bau von Anlagen ist es interessant festzustellen, dass Immobilien im Bereich Life Sciences und Rechenzentren viele Gemeinsamkeiten aufweisen, beispielsweise in Bezug auf HLK-Anlagen, Notstromversorgungen und hohe Umweltanforderungen. Durch die frühzeitige Identifizierung dieser technischen Überschneidungen lassen sich Synergien bei der Planung und beim Bau nutzen, beispielsweise durch gemeinsame Ausschreibungen oder modulare Bauweisen.
Ein weiteres Stichwort: Projektsteuerung. Die integrierte Verwaltung von Kosten, Terminen, Risiken und Beschaffung hilft dabei, die Komplexität insbesondere bei großen interdisziplinären Projekten zu kontrollieren. Denn der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Koordination zwischen Forschung, IT, Immobilienentwicklung und Betrieb.
Vom Bauprojekt zur digitalen Plattform
In Zukunft müssen Immobilien im Bereich Life Sciences mehr als nur Laborflächen bieten. Sie sind Plattformen für Innovation mit höchsten Anforderungen an digitale Infrastruktur, Energieeffizienz und Flexibilität. Wer von Anfang an datengestützt plant und alle Stakeholder einbezieht, schafft nicht nur zukunftssichere Standorte, sondern trägt auch zur langfristigen Innovationskraft Deutschlands als Life-Science-Standort bei.
Natalia Gospodinova ist Associate Director bei Linesight .
