Das sagt zumindest das Marktforschungsinstitut Empirica mit Blick auf das Wanderungsverhalten junger Deutscher. Aber auch andere Markt- und Städte-Vergleichsstudien sehen die heimliche Hauptstadt Sachsens in der ersten Liga angekommen.
Die Leipziger Wohnungsgenossenschaft Lipsia will hoch hinaus: Im Juni 2018 wollen die Genossen mit dem Bau des ersten Wohnhochhauses in Leipzig-Grünau, der größten Plattenbausiedlung der Messestadt, nach der Wende beginnen. Die Baugenehmigung für den 13-Geschosser mit 60 Ein- bis Dreizimmerwohnungen wurde Ende 2017 erteilt. Ehrgeizige zehn Euro kalt pro Quadratmeter plus zwei Euro Servicepauschale hat die Genossenschaft als Miete kalkuliert. In den umliegenden sanierten und teilsanierten Plattenbauten sind fünf bis sechs Euro die Regel. „Unsere Investition von 12,2 Millionen wird Grünau einen Schub geben“, zeigt sich Kristina Fleischer, Vorstand der Lipsia, optimistisch. An gleicher Stelle, an der die Lipsia ihr Hochhaus bauen will, war vor gut zehn Jahren ein Elfgeschosser mit 275 Wohnungen abgerissen worden.
Mieten und Renditen in Leipzig
Grünau teilte nach der Wende das Schicksal aller DDR-Großwohnsiedlungen: Die Bewohner flohen in Scharen. Die Einwohnerzahl der Satellitenstadt schrumpfte von über 85.000 auf weniger als die Hälfte. Fast 7.000 Plattenbauwohnungen wurden nach und nach abgerissen. Die gesamte Stadt Leipzig verlor in dieser Zeit etwa 100.000 Bürger. Am Tiefpunkt der Entwicklung standen rund 20 Prozent der Wohnungen in der Messestadt leer.
Leipzig wächst besonders schnell
Doch der Negativtrend hat sich lange gedreht. Leipzig ist heute eine der am schnellsten wachsenden Großstädte Deutschlands (siehe Kasten). Die großen Ansiedlungen von DHL, BMW, Porsche und Amazon sorgten für Tausende neue Arbeitsplätze und Einwohner. Neben Dresden, Jena, Halle, Rostock, Chemnitz, Magdeburg, Schwerin, Erfurt und Potsdam ist Leipzig aktuell die ostdeutsche Schwarmstadt, welche die meisten jungen Leute aus der Provinz anzieht.
Als Schwarmstadt habe Leipzig Berlin und München den Rang abgelaufen, konstatiert das Marktforschungsinstitut Empirica. Im 2017er Städteranking des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) und der Privatbank Berenberg, das die Zukunftsfähigkeit der 30 größten deutschen Städte unter die Lupe nimmt, rangiert Leipzig mittlerweile an zweiter Stelle.
Neue Arbeitsplätze sind aber nicht nur in den Gewerbegebieten am Stadtrand und am Flughafen entstanden – auch in der City füllen sich die Büros. 2017 war der Flächenumsatz auf dem Leipziger Büromarkt so hoch wie noch nie, vermelden die Makler- und Analysehäuser unisono. BNP Paribas hat im vergangenen Jahr 166.000 Quadratmeter neu vermieteter Büroflächen gezählt. Gegenüber dem langjährigen Durchschnittswert bedeutet dies ein Plus von gut 60 Prozent.
Die unverändert geringe Neubauquote und die anhaltend positive Nachfrage tragen gleichzeitig auch weiterhin zum Leerstandsabbau bei. Laut Aengevelt sind aktuell etwa 265.000 Quadratmeter beziehungsweise 8,1 Prozent des Gesamtbestandes ungenutzt. Ende 2016 lag die Leerstandsquote noch bei 9,3 Prozent. In den zentralen 1-A-Lagen sieht Stefan Sachse, Geschäftsführer von BNP Paribas in Leipzig, mittlerweile sogar einen Nachfrageüberhang, da in diesem Bereich kaum Neubauten auf den Markt kommen.
Eine im Auftrag der TLG AG vom Beratungsunternehmen Wüest & Partner kürzlich vorgelegte Analyse attestiert dem Leipziger Büromarkt trotz des noch immer vergleichsweise hohen Leerstandes gute Aussichten für die nächsten fünf Jahre. In diesem Zeitraum soll die Zahl der Büroarbeitsplätze um 5,5 Prozent wachsen – so stark wie in keinem anderen der 26 untersuchten B-Standorte. Daraus ergibt sich ein zusätzlicher Büroflächenbedarf von jährlich 31.600 Quadratmetern. Mehr als an allen anderen untersuchten B-Standorten.
Bedarf gibt es aber nicht nur an Büroflächen. Auch Wohnraum wird in Leipzig knapper und teurer. Aengevelt-Research beziffert die aktuelle Leerstandsquote auf unter sechs Prozent. Der heutige Bestand reiche etwa noch drei bis fünf Jahre, meint Wulff Aengevelt. In einzelnen Teilmärkten wie zum Beispiel für kleine Wohnungen sowie große Familienwohnungen gäbe es sogar schon heute Nachfrageüberschüsse, heißt es im aktuellen City Profile von Jones Lang LaSalle (JLL). Und mit der Nachfrage steigen auch die Mieten – laut JLL-Analyse zurzeit sogar stärker als in den Top-7-Städten. 2017 ging die Angebotsmiete um 7,5 Prozent nach oben. Mit rund 6,85 Euro pro Quadratmeter liegt diese allerdings noch deutlich unter dem Mietpreisniveau der Top-7-Städte. Und daran werde sich nach Einschätzung von JLL auch auf absehbare Zeit nichts ändern.
Große innerstädtische Entwicklungsflächen
Um die große Zahl der Zuzügler mit Wohnraum versorgen zu können, braucht Leipzig laut Prognose der Stadt bis zum Jahr 2030 rund 60.000 zusätzliche Wohnungen. Aengevelt-Research rechnet mit einem deutlich niedrigeren Bevölkerungswachstum und kommt auf einen Neubaubedarf von rund 33.300 Wohnungen. Dies entspricht einer mittleren Fertigstellungsquote von 2.400 Wohnungen pro Jahr. Aber selbst von dieser Zahl ist die offizielle Neubaustatistik weit entfernt. 2016 wurden in Leipzig 915 Wohnungen fertiggestellt.
Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage wird also eher größer als kleiner. Im Unterschied zu anderen Großstädten stehen in Leipzig für den Wohnungsbau aber noch größere innerstädtische Flächen zur Verfügung. Große Entwicklungsgebiete wie der Eutritzscher Freiladebahnhof, der Lindenauer Hafen oder das Gelände des ehemaligen Bayerischen Bahnhofes bieten Platz für rund 10.000 neue Wohnungen. Und auch in der Nachbarschaft des geplanten Lipsia-Hochhauses mangelt es nicht an Bauland. Rund 50 Hektar könnten in Stadtteil Grünau sofort bebaut werden – meist grüne Wiese, auf der vor ein paar Jahren noch Plattenbauten standen.
Autor: Jörn Pestlin
Der Beitrag ist zuerst erschienen in der März-Ausgabe von immobilienmanager .