Architekten und Entwickler sind aufeinander angewiesen, aber trotzdem nicht immer die besten Freunde. Trotz vieler gemeinsamer Interessen ist „Investorenarchitektur“ zum Unwort verkommen.
Spannungsgeladen war es schon immer, das Verhältnis zwischen Architekten auf der einen und Investoren sowie Entwicklern auf der anderen Seite. Ein Kristallisationspunkt, an dem sich die Gewitterwolken gern entladen, sind Architektur-Wettbewerbe.
Bei einigen Entwicklern stehen solche Wettbewerbe hoch im Kurs. „Wir führen sie häufig auch dann durch, wenn sie nicht zu den Bedingungen der Ausschreibung gehören“, berichtet Dr. Markus Wiedenmann, geschäftsführender Gesellschafter der Art-Invest. „Wettbewerbe bieten einen riesigen Mehrwert.“
Wettbewerbe sind ein wirtschaftliches Risiko für Architekten
Thomas Hohwieler, Geschäftsführer der Strabag Real Estate, hielt früher Wettbewerbe für entbehrlichen Aufwand. Diese Auffassung hat er komplett revidiert. „Wettbewerbe ermöglichen es Bürgern und Städten, sich zu artikulieren. Mit ihrer Hilfe lässt sich ein breiter Konsens leichter erreichen.“ Mehr Mühe am Start, weniger Abstimmungsbedarf im Prozess, so könnte die Kurzformel lauten.

Architekten gehen mit der Teilnahme an Wettbewerben allerdings ein schwer überschaubares wirtschaftliches Risiko ein. Die Wettbewerbe erzeugen einen erheblichen Stundenaufwand für die Mitarbeiter, hinzu kommen Leistungen wie Visualisierungen und Modelle, die den finanziellen Aufwand für die teilnehmenden Büros rasch in die Höhe schnellen lassen.
Amandus Sattler, Geschäftsführer von Allmann Sattler Wappner Architekten in München, lehnt deshalb die Teilnahme seines Büros an offenen Wettbewerben ohne Aufwandsentschädigung ab. Interessant sind aus seiner Sicht nur die Wettbewerbe, in denen eine begrenzte Zahl von Architekten eingeladen und eine Aufwandsentschädigung gezahlt wird.
Dass diese die tatsächlichen Kosten nur teilweise deckt, halten Projektentwickler allerdings für akzeptabel. Schließlich tätigen sie auch ihre für die Akquisition erforderlichen Summen auf eigenes Risiko.
Wenn der Sieger leer ausgeht
Wettbewerbe mit einer kleinen Schar ausgewählter Büros hält Markus Wiedenmann für absolut zielführend: „Anhand der Leistungsportfolios und der Track Records der eingeladenen Architekten können wir relativ sicher sein, dass die eingereichten Entwürfe auch baubar und bezahlbar sind.“
Strittig bleiben die Regeln für die Beauftragung. Wettbewerbssieger beschweren sich immer wieder darüber, dass der Auftrag dann doch an andere geht. Schlimmstenfalls setzen diese dann auch noch Teile der vom Sieger eingereichten Entwurfsplanung um. Juristische Gegenwehr ist in solchen Fällen schwierig. Wenn überhaupt, dann erhält der so zum Verlierer degradierte Wettbewerbsgewinner Schadensersatz, weil sein Urheberrecht verletzt wurde. Amandus Sattler wünscht sich in den Ausschreibungsunterlagen deshalb einen Passus, der dem in der Jury gemeinsam gefundenen Preisträger die Beauftragung sichert.
„In der Regel erhält der Sieger des Wettbewerbs auch den Planungsauftrag“, sagt dazu Thomas Hohwieler aus seiner Praxis. „Gleichwohl halten wir es uns in den Auslobungsunterlagen offen, anstatt des Siegerbüros gegebenenfalls auch den Zweit- oder Drittplatzierten zu beauftragen, da es für uns entscheidend ist, dass sämtliche für uns maßgebliche Anforderungen für eine Planung auch erfüllt werden können.“
Investorenarchitektur
Strabag Real Estate beauftragt üblicherweise nur die Leistungsphasen eins bis vier und überlässt dem Generalunternehmer die Entscheidung, ob er mit dem bis dahin beauftragten Partner weiter machen oder einen Dritten für die Ausführung einschalten will. Dabei behält der von der Strabag Real Estate eingesetzte Architekt allerdings die künstlerische Oberleitung, „um sicherzustellen, dass die Idee und der Geist des Entwurfs erhalten bleiben“, so Hohwieler.
Die drei Typen von Architekturbüros
Entwurf und Ausführung in eine Hand zu legen, ist ohnehin nicht immer die beste Idee. Robert Bambach, Vorstand der Commerz Real und zuvor viele Jahre in der Projektentwicklung tätig, identifiziert drei unterschiedliche Typen von Architekturbüros: eher entwurfsstarke Anbieter, Büros, die sowohl im Entwurf als auch in der Umsetzung stark sind und solche, die sich auf die Umsetzung spezialisiert haben.
Besonders wichtig sei die technische Projektkompetenz der Büros. „Ist diese nicht gegeben, bekommen Sie als Auftraggeber mit hoher Wahrscheinlichkeit später die Quittung dafür“, warnt Bambach. Deshalb könnten sich umsetzungsstarke Architekturbüros vor Aufträgen kaum retten, während andere kaum ausgelastet sind.
Vorsicht empfiehlt Art-Invest-Chef Wiedenmann auch in anderer Hinsicht: „Viele Renderings sehen blendend aus, haben aber mit der später gebauten Realität wenig zu tun.“ Ursächlich dafür seien optische „Tricks“ in der Visualisierung. Für den Ausgang eines Wettbewerbs kann das zu ernsten Problemen führen. Denn in der Jury sitzen regelmäßig auch architektonische und technische Laien, die ihre Entscheidungen stark an der Optik der Renderings orientieren.
„Investorenarchitektur“ oder „Entwicklerarchitektur“?
Aber auch wenn die Visualisierung in der Wettbewerbseinreichung den Entwurf realistisch wiedergibt, kann das gebaute Ergebnis erheblich davon abweichen, nämlich dann, wenn in der Umsetzung zu sehr gespart wird. Die daraus resultierenden Ergebnisse werden in der Öffentlichkeit gern als „Investorenarchitektur“ gescholten.
Das sei aber ein irreführender Begriff, schreitet Robert Bambach an dieser Stelle ein. „Es sind häufig die Projektentwickler, welche in der Bauphase sparen. Wenn gute Architektur durch inadäquate Materialien beeinträchtigt wird, gehört der Investor zu den Leidtragenden.“ Schließlich trägt er die Konsequenzen, wenn Gebäude bereits drei oder fünf Jahre nach ihrer Erstellung alt und unansehnlich wirken und die achvermietung zum Verlustgeschäft wird.
Andererseits lösen architektonisch brillante Lösungen und hochwertige und langlebige Materialien regelmäßig Mehraufwand aus. Soll sich der auszahlen, müssten die Projektentwickler eine höhere Miete iund einen entsprechend höheren Verkaufspreis beim Exit erzielen.
Mehrwert der Architektur nur schwer zu beziffern
Als Botschafter architektonischer Qualität ist vor allem der Architekt gefordert. „Bei passiven Bauweisen und reduziertem Technikeinsatz lässt sich ein Mehraufwand über die erzielten Einsparungen im Betrieb plausibel machen“, glaubt Amandus Sattler. In Einzelfällen ließe sich der über Langzeitbetrachtungen von Vermietungs- und Verkaufsresultaten begründen – etwa anhand von Gebäuden unterschiedlicher Qualität mit gleicher Funktion an benachbarten Standorten.

In den meisten Fällen gilt hingegen wohl die Einschätzung Markus Wiedenmanns: „Der Mehrwert einer besseren Architektur lässt sich bei Projektbeginn kaum quantifizieren, weil man Mieten nur aus Vergleichsobjekten ableiten kann.“ Allerdings fallen ihm genügend andere Gründe dafür ein, für ein Mehr an Qualität auch mehr auszugeben: „In Core-Lagen bevorzugen institutionelle Investoren hochwertige Gebäude, die das Potenzial haben, dauerhaft zu einer Marke zu werden. Und diese Marke darf nicht einfach nur aus einer leeren Marketinghülle bestehen.“
Zur reinen Kalkulation treten also auch gehörige Portionen von Bauchgefühl und Erfahrung. So sieht es auch Thomas Hohwieler: „Mieter zahlen mehr für gute Architektur, davon bin ich fest überzeugt. Ich selbst würde es nicht anders machen.“
Was aber ist gute Architektur? Für Markus Wiedenmann beginnt der Weg dorthin weit vor dem eigentlichen Entwurf. Beim Projekt Alter Wall in Hamburg und jetzt auch beim Refurbishment des Einzelhandelsobjekts Hohe Straße/Ecke Schildergasse in Köln begann Art-Invest die Entwicklung des Konzepts mit einer historischen Recherche zum Objekt und seiner städtebaulichen Bedeutung sowie die Analyse des aktuellen Umfelds. In Hamburg resultiert diese Recherche im Brückenschlag zum Neuen Wall, in Köln in einer gemeinsam mit der Stadt geplanten Aufwertung einer Stichstraße zum Heumarkt. „Solche Projekte geben der gesamten Lage Auftrieb“, ist er überzeugt.
Vermietbarkeit geht vor Kreativität
Historische Gebäude mag fast jeder, an Neubauten scheiden sich rasch die Geschmäcker. Im Interesse ihrer Vermietbarkeit dürfe die Architektur nicht polarisieren, meint Commerz-Real-Mann Robert Bambach. „Zeitlos“ müsse sie wirken. „Damit meine ich eine klar geordnete Architektur mit ortogonalen Strukturen und ohne Verspieltheiten. Man sollte dem Gebäude nicht gleich ansehen, aus welcher Zeit es stammt.“
Dass die gebaute Realität immer wieder, und nicht nur seitens der Architekten, auf Kritik stößt, liegt für den sportbegeisterten Thomas Hohwieler auf der Hand: „Projektentwicklung gleicht dem modernen Zehnkampf. Man muss in jeder Disziplin stark sein, wird aber in keiner einen Weltrekord aufstellen.“ Und letztlich, daran kommen weder Architekten noch Städte und vor allem weder Entwickler noch Investoren vorbei, entscheidet die am jeweiligen Ort erzielbare Miete darüber, wie viel man ausgeben kann.
Autor: Christof Hardebusch
Der Beitrag ist zuerst erschienen in der gedruckten September-Ausgabe von immobilienmanager .