Dr. Sebastiaan Gerards ist seit Anfang 2025 Leiter der größten Niederlassung der Dornieden Gruppe in Monheim am Rhein. Er verantwortet die Entwicklung neuer Wohnquartiere ebenso wie strategische Zukunftsthemen. immobilienmanager spricht mit ihm über den Spagat zwischen Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit – und neue Ideen für den Wohnungsbau.
Herr Gerards, in Deutschland fehlen abertausende Wohnungen, und es wird kaum besser. Als Wohnungsbauunternehmer: Woran liegt das?
Die Baukosten und Zinsen stabilisieren sich derzeit – dennoch kommt der Wohnungsbau noch nicht richtig in Fahrt. Warum? Der eigentliche Engpass liegt aus meiner Sicht in den Genehmigungsprozessen: Diese sind häufig zu langsam, zu kleinteilig, zu wenig pragmatisch – was wiederum an den vielen Vorgaben liegt, die auf dem Wohnungsbau lasten. Dabei brauchen wir gerade in der Krise mehr Tempo. Aber ich bin optimistisch: Der öffentliche Druck nimmt spürbar zu, und die Politik hat das Problem erkannt. Wir sind zuversichtlich, dass es bald pragmatische Lösungen geben wird.
Entgegen dem allgemeinen Trend: Dornieden baut fleißig an vielen Standorten. Wie schaffen Sie das, was bei anderen anscheinend nicht funktioniert?
Wir haben den Vorteil eines durchstandardisierten Produkts: Die Reihenhäuser unserer Bauträgermarke „Vista“ sind wirtschaftlich immer noch gut darstellbar, sowohl für uns als auch für die Endkunden. Die Bauzeit liegt bei sechs bis sieben Monaten – das ist sehr schnell. Hinzu kommt: Wir sind bekannt, genießen Vertrauen bei Städten und Gemeinden und kommen in den Gesprächen gut voran. Das sichert uns weiterhin den Zugang zu Grundstücken.
Was verstehen Sie unter seriellem Bauen?
Serielles Bauen heißt für uns: Wir arbeiten mit einem bewährten Grundgerüst, das sich auf unterschiedliche Haustypen anwenden lässt. Grundrisse, Leitungsführungen, Türpositionen – all das bleibt weitgehend gleich. Unsere Partnerfirmen kennen die Abläufe, das steigert die Geschwindigkeit. Gleichzeitig entwickeln wir das System kontinuierlich weiter. So haben wir beispielsweise auch Duplex-Häuser und Reihenhäuser mit förderfähigen Grundrissen im Programm. Für die Zukunft können wir uns gut vorstellen, mit mehr vorgefertigten Modulen die Abläufe noch effizienter zu gestalten.
Sie sind auch im geförderten Wohnungsbau aktiv. Wie schwierig ist dieses Segment derzeit?
Wir setzen auf eine Durchmischung aus frei finanziertem und gefördertem Wohnraum – das war früher ein Balanceakt, heute liegen beide Segmente wirtschaftlich oft gleichauf. Dennoch ist der geförderte Bereich komplex: Denn die Fördermittel sind begrenzt, Bewilligungen dauern oft lange, und ohne Förderzusage können die Projekte nicht starten. Das kann ganze Quartiersentwicklungen durcheinanderbringen. Hier würde ich mir mehr Verlässlichkeit wünschen.
Sie beschäftigen sich auch mit dem Thema des genossenschaftlichen Wohnens. Wie kann ein solches Modell aussehen?
Wir beschäftigen uns mit gemeinschaftlichen Wohnformen im Allgemeinen. Denn wir wissen, dass immer mehr Menschen sich nicht nur nach einem Eigenheim sehnen, sondern auch nach gemeinschaftlichen Strukturen. Hierfür gibt es mehrere Wege. Ein Beispiel ist, dass in einem Quartier mit 50 Reihenhäusern jeder Käufer einen zusätzlichen Quadratmeter erwirbt – gemeinsam entstünde auf diese Weise eine 50 Quadratmeter große Gemeinschaftsfläche. So ein Raum könnte für gemeinschaftliche Aktivitäten oder zur Unterbringung von Gästen genutzt werden. Ein anderes Modell sind Genossenschaften, bei denen nicht einzelne Käufer, sondern eine ganze Gemeinschaft Eigentümer wird. Solche Konzepte möchten wir in realen Projekten testen. Dabei ist es entscheidend, dass sie bezahlbar bleiben und den Menschen echten Mehrwert bieten.
Sie werben mit dem Thema Nachhaltigkeit in Ihren Quartieren. Doch wie wichtig sind Nachhaltigkeit und moderne Features in Wohngebäuden im Gegensatz zu Kostenaspekten?
Die Frage ist nicht „ob“, sondern „wie“. Nachhaltigkeit ist keine Option, sie ist Voraussetzung für zukunftsfähiges Bauen. Aber: Sie muss bezahlbar sein. Laut einer aktuellen Forsa-Studie ist das Thema zwar relevant für die Menschen – aber die Zahlungsbereitschaft dafür gering. Unser Ansatz ist deshalb: nachhaltige Lösungen so integrieren, dass sie sich langfristig rechnen, etwa durch geringere Nebenkosten. Das gelingt nur, wenn man Produkte entwickelt, die ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit miteinander verbinden.
Zur Dornieden-Gruppe gehören nicht nur Bauexperten, sondern auch Gesellschaften für Energie, Photovoltaik, Smarthome, Datenanbindung und energetische Sanierung. Wie wichtig ist es für Sie, diese Dienstleistungen aus dem eigenen Haus anbieten zu können?
Wir sehen darin einen klaren Vorteil – sowohl für uns als Unternehmen als auch für die Kunden. Wenn wir alle Komponenten aus einer Hand planen und steuern, entstehen stimmige, funktionierende Lösungen. Das zahlt auf die Bezahlbarkeit ein und verbessert die Qualität. Gerade bei Themen wie Smart Home oder der Energieversorgung ist es entscheidend, dass alles reibungslos ineinandergreift. Und das funktioniert nur, wenn man es integrativ denkt. Wir erleben, dass uns andere Unternehmen gezielt darauf ansprechen – und wir sind überzeugt, dass dieser Weg richtig ist.
Das Geschäftsfeld Bestandsimmobilien haben Sie 2024 erstmals für sich erschlossen. Wie kam es dazu?
Das war ein logischer Schritt. Wir haben im Neubau viel Erfahrung und eine gute Marktstellung – aber mit Blick auf die Zukunft führt kein Weg an der Auseinandersetzung mit dem Bestand vorbei. Viele ältere Gebäude sind energetisch oder funktional nicht mehr zeitgemäß. Die Herausforderung besteht darin, unsere Stärken – etwa das serielle Denken oder die ganzheitliche Projektsteuerung – hierauf zu übertragen. In Nordrhein-Westfalen haben wir bereits erste Projekte realisiert und verstärken jetzt diesen Bereich. Das Ziel: nachhaltige, wirtschaftliche Lösungen für den Bestand.
Wo sehen Sie die Dornieden Gruppe in fünf Jahren?
In fünf Jahren möchten wir in mehrfacher Hinsicht weiter sein. Zum einen geografisch: Wir bauen unsere Präsenz im Norden und Süden Deutschlands gezielt aus. Zum anderen thematisch: Neue Geschäftsfelder wie die Bestandsentwicklung und das gemeinschaftliche Wohnen sollen fester Bestandteil unseres Portfolios sein. Und drittens technologisch: Wir entwickeln unsere digitale Landkarte weiter, setzen zunehmend auf KI-basierte Tools und optimieren unsere Wertschöpfungskette. Wir möchten nicht nur bauen, sondern Impulse setzen. Hierfür haben wir in fünf Jahren hoffentlich wichtige Referenzprojekte fertiggestellt, wie zum Beispiel das „Solarquartier +“ in Erftstadt. Dort planen wir aktuell ein Quartier mit eigenem Solarpark, multifunktionalen Verkehrsflächen und modernem Regenwassermanagement.
Das Gespräch führte Bianca Diehl.
