Roboterarm bewegt Fertigbauwände in einer Werkshalle
Roboter helfen bei der seriellen Produktion von Fertigbauelementen. (Quelle: Kuka Systems)

Projekte 2023-05-12T08:34:15.935Z Häuser vom Fließband

Wie steht es um den automatisierten modularen Bau von Gebäuden? Wir haben bei Gerald Mies, CEO von Kuka Systems, nachgefragt.

Herr Mies, welchen Stellenwert hat der Immobiliensektor bei Kuka?

Gerald Mies: Kuka ist als Automatisierungsspezialist und Roboterbauer seit Jahrzehnten in der klassischen Industrie in Märkten wie Automotive, Metall, E-Commerce oder Logistik aktiv. Unsere Technologien sind aber zunehmend auch in neuen, bisher wenig automatisierten Bereichen gefragt. Die Bauindustrie ist ein vielversprechendes und innovatives neues Feld. Dabei übertragen wir Kukas Wissen und Kompetenzen rund um Automatisierung und Anlagenbau aus hochautomatisierten Industriebereichen in die Baubranche. Als Blaupause dient dabei eine der am höchsten automatisierten Branchen weltweit, die Automobilindustrie.

Für welchen Einsatz im Immobiliensektor sind Roboter prädestiniert?

Porträtfoto von Gerald Mies
Kuka-CEO Gerald Mies (Quelle: Kuka Systems)

Gerald Mies: Insbesondere der modulare Hausbau ist für Automatisierung mit Roboter-Einsatz geeignet. Dabei werden Häuser nicht mehr klassisch auf der Baustelle hochgezogen, sondern werden in der Fabrik produziert. Die Häuser kommen sozusagen „vom Fließband“. Dabei werden die Hausmodule in der Fabrik mit Roboter-Unterstützung produziert, inklusive fertig gedämmter Wände und Rohinstallationen. Die Hausmodule können in der Fabrik zudem bis ins Detail ausgestattet werden – vom Badezimmer über tapezierte Wände bis hin zur fertigen Küche. Die fertigen Module werden dann zur Baustelle transportiert und vor Ort nur noch montiert. Diese neue Art des Bauens ist nachhaltiger, verkürzt die Bauzeit um bis zu 60 Prozent, reduziert Kosten und hilft dabei, dem Fachkräftemangel zu begegnen. Kuka ist bisher übrigens der einzige Anbieter, der die notwendigen Roboter und Automatisierungslösungen für eine solche Wohnungsbaufabrik aus einer Hand anbietet. Ein weiteres äußerst spannendes Feld ist der Bereich serielle Sanierung. Auch hier können wir Lösungen bieten, die den enormen Bedarf mit modernen Lösungen mitabdecken können.

Sie bauen derzeit ein Werk in Großbritannien für die serielle Fertigung von Gebäuden. Während die Technik in Deutschland dringend gebraucht wird, ist man in anderen Ländern offensichtlich weiter. Wie sind Ihre Erfahrungen mit der seriellen Fertigung in anderen Ländern außerhalb Deutschlands?

Gerald Mies: Kuka hat unter anderem aus Großbritannien und dem arabischen Raum bereits Aufträge oder ist an Projekten beteiligt. In Deutschland gibt es derzeit noch keine solchen Fabriken für den automatisierten modularen Hausbau, hier ist man noch zurückhaltend. Und das birgt Risiken: Die deutsche Bauindustrie muss aufpassen, dass hier nicht andere Player vorbeiziehen. Die Herausforderungen sind in Deutschland ebenso offensichtlich wie in anderen Teilen der Welt. Bezahlbares Wohnen, eine seit 2008 steigende Bauüberhangsquote und eine schlechte Energiebilanz im Bestand sind Themen, die eine gesamtgesellschaftliche Dimension haben.

Was sind die größten Herausforderungen in Deutschland für Sie im Immobilienbereich?

Gerald Mies: Die Baubranche ist ein Bereich, in dem bislang nur sehr wenig automatisiert wurde. Gleichzeitig steigt durch Fachkräftemangel, steigende Anforderungen an Nachhaltigkeit und immer höhere Kosten der Druck auf die Branche. Und der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum wächst. Mit den traditionellen Baumethoden wird man diese Probleme nicht lösen können. Man muss umdenken. Genau hier setzen innovative Alternativen wie der automatisierte modulare Hausbau an. Ich würde sagen, dass wir dieses Umdenken aktuell mit Partnern begleiten, um auch in Deutschland die ersten Verlagerungen in Richtung moderner Automatisierung zu erreichen. Ein wichtiger Faktor ist hier die Abnahmesicherheit. In einer Fabrik können rund 5.000 Wohneinheiten pro Jahr entstehen, dafür muss eine Auslastung über mehrere Jahre gesichert sein. Der Prozess für Baugenehmigungen muss diesem Bedarf entsprechend vor allem in der Geschwindigkeit angepasst werden.

Wie groß schätzen Sie das Potenzial für serielle Fertigung von Gebäuden mit Robotertechnologie?

Gerald Mies: Das Potenzial für roboterbasierte, serielle Fertigung von Häusern in der Fabrik ist enorm. Zum Vergleich: Wir sind mit dem automatisierten modularen Hausbau in etwa auf dem Niveau, auf dem die Automobilbranche vor rund 100 Jahren stand. Heute sind Fahrzeuge dank modernster automatisierter Fertigung individuell gestaltbar und erschwinglich. Darüber hinaus ist die Automobilindustrie heute ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, Innovationstreiber – und Arbeitgeber. Der automatisierte modulare Hausbau könnte die Baubranche für gefragte Fachkräfte attraktiver machen.

Wo sind derzeit noch die Grenzen beim Einsatz von Robotern im Immobilienbereich?

Gerald Mies: Um das Potenzial von Robotik und Automatisierung in der Bauindustrie auszuschöpfen, muss man das komplette Konzept Hausbau neu denken. Wer auf einer traditionellen Baustelle unter Outdoor-Bedingungen einen Roboter für eine bestimmte Tätigkeit einsetzen will, wird schnell an die Grenzen stoßen. Die Baustelle in die Fabrik zu verlagern und als kompletten, automatisierten Vorgang zu konzeptionieren, bietet deutlich mehr Möglichkeiten.

Was wünschen Sie sich von Politik und Immobilienwirtschaft?

Gerald Mies: Wohnraummangel und steigende Lebenshaltungskosten sind eine enorme gesellschaftliche Herausforderung. Politik, Wirtschaft und Baubranche müssen hier an einem Strang ziehen und innovative Lösungen fördern – und das möglichst schnell. Denn in anderen Ländern ist man hier zum Teil schon deutlich weiter und auch mutiger unterwegs. Wir haben die Technologien. Nun brauchen wir die Offenheit, einen echten und tiefgreifenden Wandel zu wagen.

Das Gespräch führte André Eberhard.

zuletzt editiert am 12. Mai 2023