Visualisierung eines Produktionsgebäudes
Produktion und Distribution vereint ASG Aluminium unter einem Dach, wenn der Neubau im Regiopark 2027 fertig ist. (Quelle: ASG Aluminium und Stahl)

Standorte & Märkte 30. September 2022 Die Flächenpipeline trocknet aus

Bei Logistikern ist Mönchengladbach sehr beliebt. Fundamental dürfte sich hieran auch weiterhin nichts ändern, die Flächenverfügbarkeit bleibt aber eine Herausforderung.

Solche Schwankungen sind am Immobilienmarkt doch eher ungewöhnlich: Nachdem es im ersten Quartal dieses Jahres nach Berechnungen von CBRE überhaupt keinen Flächenumsatz bei Logistikimmobilien am Standort Mönchengladbach gegeben hatte, änderte sich dies im zweiten Quartal deutlich. Für das gesamte erste Halbjahr verzeichnete die Region gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Anstieg des Flächenumsatzes um 81 Prozent auf 78.000 Quadratmeter.

Nun ist der Markt an sich ein überschaubarer – im Gesamtjahr 2021 wurden 56.000 Quadratmeter umgesetzt, was seinerseits bereits ein Plus von 50 Prozent gegenüber 2020 dargestellt hatte. Diese Überschaubarkeit wiederum hängt auch damit zusammen, dass es seit geraumer Zeit an Flächen mangelt. So führte CBRE das Ausbleiben eines Umsatzes in den ersten drei Monaten einzig auf das fehlende Grundstücksangebot zurück. Den erheblichen Anstieg im zweiten Quartal erklärt Daniel Dieker von der Wirtschaftsförderung der Stadt (WFMG) und zuständig für die Logistikinitiative Log4MG mit größeren Einzelabschlüssen, die zu Schwankungen führen könnten.

Tatsächlich hat sich die Lage im zweiten Quartal nicht geändert. „In dem Marktsegment Logistikflächen besteht weiterhin eine sehr große Nachfrage bei sehr geringem Angebot“, sagt Norbert Bienen, Geschäftsführer von Bienen + Partner Immobilien. Die Nachfrage, insbesondere nach Logistikflächen in den Größenordnungen von 1.000 bis 5.000 Quadratmetern, könne zumindest in der oft gewünschten Kurzfristigkeit wegen fehlender Verfügbarkeit nicht zufriedengestellt werden. Dieker spricht von einem Mangel an Neubauflächen, und auch insgesamt gebe es keinen wesentlichen verfügbaren Leerstand. „Es gibt immer wieder Wechsel, aber keine Auswahl“, so Dieker weiter.

15 Millionen Konsumenten im Umkreis

Die Beliebtheit Mönchengladbachs bei Logistikern ist auf 15 Millionen Konsumenten in einem Radius von 100 Kilometern, die Verkehrsinfrastruktur und damit die Position einer zentralen Drehscheibe zwischen dem Benelux-Raum und der Rhein-Ruhr-Schiene zurückzuführen, wie die Log4MG zusammenfasst. Zudem hatte sich die Stadt frühzeitig engagiert und eine auch Logistik-freundliche Ansiedlungspolitik betrieben. In der Folge entstanden laut Dieker in den vergangenen zehn Jahren 6.000 zusätzliche Arbeitsplätze, allein 2.300 durch Amazon und 2.000 durch Zalando.

Der Schub durch den Onlinehandel werde weiter anhalten, auch wenn der E-Commerce nicht mehr so stark wachsen werde wie in den beiden vergangenen, durch Corona geprägten Jahren, sagt Andreas Strey, Co-Head of Fund Management und Head of Logistics bei HIH Invest Real Estate. Einer Faustregel zufolge führe jede Milliarde Euro mehr Umsatz zu 120.000 Quadratmetern zusätzlichem Flächenbedarf. Dass HIH Invest im Mai dieses Jahres einen ESG-konformen Neubau mit rund 7.000 Quadratmetern – davon gut 6.000 Logistik und 1.000 Büro – in Mönchengladbach erworben hat, der vollständig an einen international agierenden E-Commerce-Dienstleister vermietet ist, unterstreicht das Vertrauen in den Standort.

Die von HIH erworbene Immobilie hat dabei schon Seltenheitswert, denn Flächenangebot für weitere Neubauten gibt es derzeit kaum. Die noch vorhandenen Grundstücke müssen erst einmal erschlossen werden. Wofür diese dann letztlich genutzt werden, hängt von der nachgelagerten Planung ab. Logistik steht dabei nicht immer ganz oben auf der Wunschliste. Ein Grund hierfür ist die in den vergangenen Jahren auch in Mönchengladbach zu hörende Kritik, dass etliche in diesem Bereich geschaffene Jobs im Niedriglohnbereich angesiedelt seien. Dieker wiederum spricht von dem politischen Willen, keine Monokultur schaffen zu wollen, sondern immer an einem Branchenmix interessiert zu sein.

Ein baldiges Mehr an Logistikfläche ist jedenfalls nicht zu erwarten. „Wir gehen davon aus, dass die Flächenverfügbarkeit nicht mehr so sein wird wie in den vergangenen Jahren“, so Dieker. Eine Folge: „Aufgrund der sehr hohen Nachfrage bei geringem Angebot sehen wir das Potenzial weiter steigender Mieten“, sagt Strey. Im ersten Halbjahr dieses Jahres hatte die Spitzenmiete in Mönchengladbach laut CBRE bereits um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahreshalbjahr zugelegt, nach einem Plus von 15 Prozent auf 5,50 Euro im Jahr 2021. Bienen verweist auf die gestiegenen Baukosten als weiteren Grund für die angezogenen Mieten.

Die aktuellen geopolitischen Unsicherheiten und Verwerfungen haben am Logistikmarkt – in Mönchengladbach wie anderswo – laut Strey im ersten Halbjahr keine negativen Spuren hinterlassen. Veränderungen haben sich aber aufgrund der Finanzierungsbedingungen auf der Investorenseite gezeigt. „Die Preise sind vom Spitzenniveau zurückgekommen, nachdem die vergangenen zehn Jahre eine Einbahnstraße nach oben gewesen sind“, so der HIH-Experte. Der Zinsanstieg habe eine Kalibrierung zwischen Angebots- und Nachfragepreisen nötig gemacht.

Fachkräfte von der Hochschule Niederrhein

Eine große Herausforderung für die Branche sieht Dieker in der Personal- und vor allem Fachkräfteverfügbarkeit. Ein Baustein zur Lösung sei eine höhere Attraktivität, die unter anderem durch eine bessere Qualifizierung der Mitarbeitenden erreicht werden könnte. Hierbei sei Mönchengladbach auch aus akademischer Sicht attraktiv mit der Hochschule Niederrhein, die mehrere Professuren im Bereich Logistik hat, sowie dem Center Textillogistik (CTL). Das 2017 gegründete CTL mit den Standorten Dortmund und Mönchengladbach ist eine Kooperation zwischen der Hochschule Niederrhein und dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik.

Die Attraktivität des Standorts auch unter diesem Gesichtspunkt wird allerdings konterkariert durch das Flächenproblem. Das Angebot an Logistikflächen werde auch weiterhin sehr gering bleiben, sagt Bienen, und warnt: „Daher wird es keine Neuansiedlungen geben. Da es hierdurch auch kein Erweiterungspotenzial von am Standort ansässigen Unternehmen geben wird, besteht die Gefahr, dass diese Unternehmen den Standort verlassen.“

Sollte dies tatsächlich passieren, dürften allerdings rasch neue Interessenten bereitstehen. Strey ist optimistisch: „Mönchengladbach ist ein sehr guter, etablierter Logistikstandort und wird seine Vorzüge schon aufgrund der Lage nicht verlieren.“ Die Nähe zu Düsseldorf ist dabei nicht nur aus logistischer, sondern auch aus wettbewerblicher Sicht interessant. „Logistikflächen in Düsseldorf sind nicht nur zunehmend rarer, sondern auch teurer als solche in Mönchengladbach“, so Strey. Insofern dürften Unternehmen durchaus über die Möglichkeit eines Umzugs nachdenken, sofern entsprechende Flächen vorhanden wären.

Autor: Matthias Autenrieth

„Es gibt immer wieder Wechsel, aber keine Auswahl“

Daniel Dieker, WFMG

zuletzt editiert am 30.09.2022