Das Thema CO2-Einsparung bei Bestandsimmobilien ist komplex. Vier Expertinnen diskutieren über Technik, Transparenz, Vorschriften und den Faktor Mensch.
Kann man Zeit kaufen? Manchmal schon. Indem man zum Beispiel jetzt in Anlagenaustausch, hydraulischen Abgleich, automatische und vielleicht auch durch KI kontrollierte Steuerung investiert. Dieses Rezept funktioniert bei Bestandshaltern, die ihre Bürogebäude auf den CO2-Sparpfad lenken möchten. „Es bringt die ersten 30 Prozent Einsparung für die ersten drei Jahre. In dieser Zeit kann man das Gebäude auf den richtigen Pfad bringen“, rechnet Dr. Jochen Keysberg, CEO von Apleona vor.
Dass diese Rechnung aufgeht, bestätigt Jochen Schenk, Vorsitzender des Vorstands der Real I.S. Group. „Wir sind mit zwei Anbietern von KI-Steuerungen in Gebäuden unterwegs, haben eine Reihe von Gebäuden ausgerüstet und diese Einsparungen bereits erzielt.“ Für Assets im Wert von 13 Milliarden Euro ist Schenk verantwortlich und lässt sie genau analysieren: „Wir haben für das gesamte Portfolio Energieaudits gemacht, um die Datenbasis zu bekommen.“ Nun weiß das Fondshaus, wo seine Gebäude auf dem Dekarbonisierungspfad stehen, und entwickelt die nötigen Maßnahmen.
Die auch ihren Preis haben. Dafür bildet sich gerade eine neue Kennziffer heraus: Susex – Sustainability Capital Expositure, auf die Professor Dr. Kerstin Hennig von der EBS Universität für Wirtschaft und Recht und dort Leiterin des EBS REMI hinweist. Wissenschaftlich untersucht wird auch die Auswirkung von ESG-Eigenschaften auf die Immobilienbewertung und die Renditeberechnung: „Dazu machen wir gerade eine große Studie mit der TU Darmstadt.“
Selbst genutzte Gebäude sind ein Problem
Die großen Publikumsfonds, so scheint es, haben die Zeichen der Zeit erkannt. Aber es gibt auch andere Eigentümer: „70 Prozent der Klimaemissionen im Gewerbebereich kommen aus selbst genutzten Gebäuden“, sagt Dr. Jochen Keysberg. Apleona hat viele Industrieunternehmen als Kunden. Dort konkurrieren die Investitionen in die Immobilien mit den Investitionen ins Kerngeschäft. Aber es tut sich etwas: „Wir sehen, dass Firmen eigene Investitionsstrategien und -budgets für die Gebäude entwickeln“, so Keysberg.
Wie sieht es da beim Autozulieferer Leoni AG aus? Daniela Albrecht, Leiterin Real Estate Management, kennt das Dilemma. Aber es gibt einen Bereich, in dem sich Produktions- und Gebäudeinteressen treffen: „Wir wissen inzwischen, wie viel erneuerbare Energie wir schon im Unternehmen haben, und wir wissen, wie wir dahin kommen, dass wir bis 2025 auf 80 Prozent sind. Bis 2030 ist unser Ziel, auf 100 Prozent zu sein.“
Aber nicht alle institutionellen Investoren gehen voran. „Ein Teil der Anleger ist sich noch nicht dessen bewusst, dass die Berichtspflichten strenger werden. Es wird ab 2025 die Corporate Sustainability Reporting Directive CSRD geben. Das sind europäische Berichtspflichten, die sehr detailliert sein werden“, mahnt Jochen Schenk. Auch Daniela Albrecht würde sich mehr Engagement in Sachen CO2-Ausstoß wünschen: „Wir sind sehr häufig Mieter in Built-to-Suit-Lösungen. Dort brauchen wir genau die Investoren, die diese Denkweise mitbringen. Aber es ist nicht ganz trivial, diese für Industriegebäude zu finden. Wir würden uns an manchen Stellen Vermieter wünschen, die mit uns über diese Themen sprechen.“
Wertverlust steigert sich im Laufe der Jahre
Daran müssten Investoren auch ein ganz eigenes Interesse haben. „Gebäude, die den Dekarbonisierungspfad nicht erreichen, verlieren so viel an Wert, wie Investitionen erforderlich sind, um wieder auf den Pfad zu kommen“, erläutert Jochen Schenk, der den Begriff „Stranded Assets“ nicht verwenden möchte. Weil die Vorschriften immer strenger werden, gibt es von Jahr zu Jahr dann natürlich auch mehr zu tun.
Schenk sieht die Asset-Manager in der Pflicht, die Eigentümer auf die Kosten einerseits und den Wertverlust andererseits hinzuweisen. „Wir werden allen unseren Anlegern im ersten Halbjahr des nächsten Jahres die Frage vorlegen: Wollt Ihr einen Artikel-8-Fonds auch im Bestand haben oder wollt Ihr das nicht?“ Kerstin Hennig bringt es auf den Punkt: „Es geht um einen Perspektivwechsel. Wir verzichten nicht auf Rendite, sondern wir verschieben unsere Betrachtung in die Zukunft, weil wir in den Wertzuwachs der Immobilie investieren.“
Ein einzelner Fonds kann sich natürlich auch dadurch aus der Affäre ziehen, dass er nicht effiziente Gebäude aussortiert. Einen Markt dafür gibt es, so Kerstin Hennig: „Es gibt den opportunistischen Käufer, der sieht, dass eine Immobilie grundsätzlich einen Wert hat. Das beobachten wir nicht nur im Gewerbebereich, sondern vor allem auch im Wohnbereich.“
Die CO2-Performance hängt aber auch entscheidend von den Nutzern ab. Große Erwartungen waren und sind mit den Green Leases verbunden, um unter anderem an die Verbrauchsdaten des Mieters zu kommen. Und wenn er sie trotz des Vertrages nicht weitergibt? Dann kann der Vermieter auch nicht viel machen. „Wir bearbeiten dieses Thema gerade beim ZIA, weil wir tatsächlich gesetzgeberische Änderungen brauchen, um Green Leases durchzusetzen“, berichtet Jochen Schenk. Nicht die Großmieter seien das Problem, sondern die „Durchschnittsmieter“: „Sie sehen den Bedarf nicht.“
Green Leases sind unzureichend
Mit einem Green Lease sind auch Pflichten verbunden, welche die Belegschaft betreffen und bei denen der Betriebsrat ein Wort mitzureden hat. „Es ist nicht immer der Unwille des Unternehmens, sondern die Kaskade, die entsteht“, so Schenk. „Es hängt immer am Zyklus der Mietvertragsverlängerung. Wenn man ans Ende kommt, dann kann man Forderungen stellen“, ergänzt Jochen Keysberg.
Um die nötigen Maßnahmen in die Wege zu leiten und umzusetzen, braucht es Leute, kompetente Leute. „Bei den Auditoren ist ein Engpass vorhanden“, berichtet Jochen Schenk. Jochen Keysberg wird grundsätzlicher: „Der Markt hat nicht die Mitarbeiter, die gebraucht werden. Wir müssen so viel digitalisieren und automatisieren wie möglich. Dann können wir unsere Fachkräfte dort einsetzen, wo sie wirklich gebraucht werden.“ Als Beispiel für höhere Effizienz nennt er den hydraulischen Abgleich. Er sei sinnvoll, aber auch komplex und arbeitsintensiv. Stattdessen empfiehlt er, „den Verbrauch einzelner Komponenten anzuschauen, die man einfach austauschen kann.“
Das gelingt nur, wenn Transparenz bei den Daten herrscht. Um an die laufenden Verbräuche zu kommen, sind Smart Meter nötig, „und das wird im Moment ein wenig gebremst, denn wir haben zu wenige Chips“, bedauert Jochen Schenk. Die Informationen fließen in Datenbanken ein, bei denen Deutschland noch hinterherhinke, „die Franzosen gehen da voran“. Das Ziel ist, eine Kette für das Reporting aufzubauen, auf deren Basis gesteuert und über Maßnahmen entschieden wird.
Wichtige Helfer für all das sind die Proptechs. „Wir brauchen sie, denn die etablierten Häuser werden die Innovationskraft so nicht darstellen. Aber andersherum gibt es auch eine Abhängigkeit“, unterstreicht Jochen Keysberg, dessen Haus in diese Spezialisten investiert. Und woher kommen sie? Zum Beispiel von der EBS: „Die Bereitschaft der jungen Leute, Unternehmen zu gründen, ist wahnsinnig groß. Wir haben im Bachelor den Kurs Real Estate Innovation Entrepreneurship. Es geht darum, innerhalb eines halben Jahres ein Proptech zu gründen“, sagt Kerstin Hennig. „Wir brauchen Proptechs als einen Hebel, um die Economies of Scale umzusetzen, und auch für die Digitalisierung. Wenn man das sinnvoll mit dem vorhandenen Wissen kombiniert, dann kommen wir voran."
Autorin: Roswitha Loibl