Expo-Real-Nachlese: Vincent Bryant, Chef des Proptechs Deepki, spricht über Deutschlands Position in Sachen Digitalisierung und Energiewerte.
Deutschlands Immobilien müssen digitaler werden. Im Vergleich zu den Nachbarländern sieht Vincent Bryant, CEO und Mitbegründer des ESG-Daten-Intelligence-Unternehmens Deepki, deutlichen Nachholbedarf. „Italien und Deutschland lagen vor der Pandemie ähnlich weit hinter anderen Ländern, doch Italien hat die Pandemie genutzt, um aufzuholen", sagte er bei einem Gespräch auf der Expo Real.
Auf welche Bereiche bezieht er sich konkret? Sein wichtigstes Beispiel ist die Ausstattung von Immobilien mit Smart Metern. Ob in Frankreich, Belgien, Großbritannien oder Spanien – überall könnten die Verbräuche digital ausgelesen werden, ohne die Räume zu betreten. Und das nicht nur in gewerblich genutzten Gebäuden, sondern auch in privaten Wohnhäusern.
In Deutschland ist nicht nur die mangelnde Ausstattung ein großes Hindernis, sondern auch die rechtliche Situation. „Deutschland hat den strengsten Datenschutz." In den Mietverträgen müsse exakt festgehalten werden, welche Informationen das Verbrauchsreporting umfasst. Alles, was dort nicht im Detail aufgeführt ist, bleibt unzugänglich.
Andererseits habe diese Exaktheit auch ihre Vorteile: „Wenn der Vertrag entsprechend formuliert ist, bekommen wir die Informationen dann auch problemlos." In Ländern wie Italien dagegen dauere es trotz eines Vertrages länger, bis man dann die Daten auch tatsächlich bekommt.
Zugriff auf Energiedaten
Die mangelnde Auskunftsfreude kann aber umgangen werden. Vincent Bryant sieht drei Wege. Zum einen kann der Eigentümer den Zugriff zu den allgemeinen monatlichen Daten des Energieversorgers erlauben. Zum zweiten lässt sich in einigen Fällen der Gesamtverbrauch des Gebäudes erfassen. Er kann die Basis für Energiesparmaßnahmen bilden, obwohl dort die allgemeinen und individuellen Werte nur gemischt vorliegen. Zum dritten kann auch der Eigentümer selbst Smart Meter installieren – aber ob diese dann auch wirklich zuverlässig sind? Daran hat Bryant seine Zweifel. Und die Zustimmung der Mieter sei auch in diesem Fall eine Hürde.
Was den ESG-Weg in Deutschland ebenfalls erschwert, ist die Vielzahl der Energieversorger. „In den meisten europäischen Ländern gibt es drei bis 20 Energieversorger. In Deutschland sind es hunderte, mehr als in den USA.“ Mehr Ansprechpartner, unterschiedliche Formate der Rechnungstellung – „das ist viel Arbeit“. Immerhin decken die vier größten Energieversorger in Deutschland 60 Prozent der Verbrauchsstellen ab.
Sanieren unter Druck
Der staatliche Druck führt in Ländern wie Großbritannien, den Niederlanden und Frankreich dazu, dass Gebäude saniert werden, obwohl es nicht rentabel ist. „In Deutschland dagegen macht man nichts, wenn es sich nicht direkt rentiert.“ Hier würde sich Bryant Regelungen wünschen wie Vermietungsverbote für energetisch schlechte Gebäude, die in manchen Nachbarländern existieren.
Doch ist das in Deutschland überhaupt nötig? Schließlich hat Deutschland schon vor Jahrzehnten klare Regelungen für die energetischen Eigenschaften von Gebäuden erlassen. Beim Primärenergieverbrauch liegen deutsche Büros tatsächlich an der Spitze, aber beim Endenergieverbrauch und dem CO2-Ausstoß sieht es anders aus. Die besten deutschen Bürogebäude (Top 15 Prozent) haben einen Primärenergieverbrauch von rund 100 Kilowattstunden pro Quadratmeter, was unter den Werten anderer EU-Länder liegt und unter anderem dem geringeren Bedarf an Kühlung zu verdanken ist. In Bezug auf den CO2-Ausstoß pro Quadratmeter weisen deutsche Büros im Vergleich zu anderen EU-Ländern jedoch den höchsten Wert auf. Das liegt zum Teil am deutschen Energiemix mit seinem hohen Kohleanteil.