Porträt Pia Hoffmann-Gallert
Pia Hoffmann-Gallert (Quelle: Wüest Partner)

Nachhaltigkeit & ESG 2024-04-11T05:48:58.615Z EU-Taxonomie gibt den Takt vor

Verschiedenste Faktoren beeinflussen die ESG-Eigenschaften eines Gebäudes. Worauf es ankommt, erläutert Pia Hoffmann-Gallert von Wüest Partner.

Mit dem Green Deal hat die Europäische Union einen ambitionierten Fahrplan vorgelegt, um bis zum Jahr 2050 eine klimaneutrale Wirtschaft zu erreichen. Eine zentrale Rolle auf diesem Weg spielt die EU-Taxonomie, die als Struktur- und Taktgeber sowie als Beschleuniger für nachhaltiges Investieren und Wirtschaften wirkt. Gerade in der Immobilienwirtschaft, die bei Herstellung, Bau und Betrieb einen großen Anteil am gesamten CO2-Ausstoß und am Verbrauch fossiler Ressourcen in der EU hat, eröffnet sich die Chance, durch gezielte Maßnahmen einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele zu leisten.

Zugleich ist das eine große Herausforderung. Allein die Urbanisierung plus der Trend zu immer mehr Single-Haushalten treiben die Nachfrage nach Neubauprojekten weiter an. Doch es ist nicht eben trivial, dies mit den Anforderungen des Klimaschutzes in Einklang zu bringen.

Mit der EU-Taxonomie, der Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, kurz: SFDR) und der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) hat die EU einen Rahmen geschaffen, der klare Definitionen und konkrete Anforderungen an nachhaltiges Wirtschaften festlegt. Für die Akteure der Immobilienwirtschaft bedeutet dies nichts Geringeres, als dass sie nicht nur ihre Geschäftsmodelle und Portfolios unter den Taxonomie-Prämissen überprüfen, sondern auch ihre Nachhaltigkeitsbemühungen transparent machen und nachweisen müssen. Dies ist entscheidend, um die Attraktivität von Immobilien für Investoren, Mieter und andere Stakeholder zu sichern und gleichzeitig die Weichen für eine nachhaltige Zukunft zu stellen.

Der Geltungsbereich der EU-Taxonomie erstreckt sich auf alle Anbieter von Finanzprodukten in der EU und betrifft direkt Banken, Versicherungsgesellschaften und durch die Ausweitung der CSRD eine wachsende Zahl von Unternehmen. Die sich daraus ergebenden Verpflichtungen umfassen das Offenlegen dessen, wie sehr die Geschäftstätigkeit mit den sich immer weiter entwickelnden Nachhaltigkeitskriterien der EU-Taxonomie in Einklang stehen.

Immobilienbranche muss detailliert Auskunft geben

Die EU-Taxonomie definiert sechs Umweltziele, die für zukünftige Bauprojekte und Immobilieninvestitionen maßgeblich sind. Diese Ziele umfassen den Klimaschutz, die Anpassung an den Klimawandel, den Schutz der Wasser- und Meeresressourcen, den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, die Verringerung der Umweltverschmutzung und den Schutz der biologischen Vielfalt.

Ein Schlüsselaspekt der EU-Taxonomie ist die Offenlegungspflicht, die Unternehmen dazu anhält, detaillierte Informationen über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten bereitzustellen. Im Einzelnen sieht die Verordnung für die Berichterstattung die Angabe des Anteils grüner Umsätze, Investitionsausgaben (CapEx) und Betriebsausgaben (OpEx) im Sinne der Taxonomie für jede taxonomiefähige Wirtschaftsaktivität und für jedes Umweltziel vor. Mit diesen Kennzahlen soll die Taxonomie eine Grundlage für Investitionsentscheidungen schaffen und die Aussagekraft der Berichterstattung erhöhen, indem zum Beispiel dargestellt wird, wie viel Prozent des Umsatzes eines Unternehmens aus nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten stammen. Dies ermöglicht eine transparente und mit anderen Unternehmen vergleichbare Berichterstattung und stärkt damit das Vertrauen in die Nachhaltigkeitsbemühungen der jeweiligen Firma.

Mit der EU-Taxonomie steigen die Anforderungen sowohl an Investitionen in Immobilien als auch an deren Entwicklung und Management: Es müssen gemäß dem Dreiklang ESG immer mehr ökologische und soziale Faktoren sowie nachhaltige Aspekte zur Unternehmensführung berücksichtigt werden, um eine Einstufung als nachhaltig zu schaffen. Der Aufklärungsbedarf in der Immobilienwirtschaft ist daher immens. An dieser Stelle tut sich ein weites Feld für Beratungsunternehmen mit weitreichender Nachhaltigkeits-Expertise auf. Die Beratung erfolgt sowohl auf strategischer als auch operativer Ebene, zum Beispiel bei der Definition und Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele.

Worüber informieren ESG-Ratings?

Bei ESG-Ratings hat der Bereich Umwelt hat den größten Anteil. Dieser umfasst Parameter wie den Primärenergiebedarf im Betrieb, das Abfallmanagement, die bauliche Verdichtung und die Effizienz der technischen Anlagen.

Im Bereich Soziales werden für ein ESG-Rating beispielsweise die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, die Belastung durch Schadstoffimmissionen in der Umgebung und in Innenräumen, die Qualität der Innen- und Außenräume sowie der Schallschutz und die Beleuchtungssituation berücksichtigt.

Schließlich enthält ein solches Rating Indikatoren, die den Governance-Aspekt der Nachhaltigkeit messen. Hierzu zählen neben dem klassischen Indikator der Lebenszykluskosten auch die Fragen, inwieweit Innovationen gefördert werden, wie ausgeprägt das Stakeholder-Engagement im Unternehmen ist und ob der Planungsprozess transparent und partizipativ unter Einbeziehung der tangierten Bevölkerung durchgeführt wurde.

Mit Ausnahme der Governance-Aspekte fällt auf, dass die meisten der genannten Kriterien längst im Rahmen einer Immobilienbewertung erfasst und bei der Wertermittlung berücksichtigt werden. Es ist daher naheliegend, im Rahmen einer Immobilienbegehung für ein Wertgutachten weitere ESG-Kriterien aufzunehmen und zu bewerten.

Zahlen sind nur eingeschränkt vergleichbar

Die EU-Taxonomie-Verordnung trägt zweifelsohne dazu bei, das Nachdenken über ökologisches Wirtschaften von Unternehmen zu beschleunigen. Nach Schätzung der EU-Kommission verursachen Gebäude immerhin rund 36 Prozent der CO2-Emissionen und etwa 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs in der EU. Im Jahr 2050 sollen Null-Energie-Gebäude ohne Treibhausgasemissionen das Maß aller Dinge sein – in Deutschland sogar schon ab 2045.

Das heißt, für die schrittweise Reduzierung der CO2-Emissionen sind gigantische Investitionen erforderlich. Als Grundlage dafür ist das Wissen darum entscheidend, wo die jeweiligen Immobilien hinsichtlich CO-Ausstoß derzeit stehen und wie ihr Dekarbonisierungspfad aussehen sollte. Dieser Prozess beginnt mit dem Energiemonitoring und endet natürlich bei Weitem noch nicht mit dem verstärkten Sammeln und Aufbereiten der Nachhaltigkeitsdaten der Immobilie.Gerade beim Thema CO2-Emission besteht das Problem, dass genau diese Transparenz Schwierigkeiten bereitet und Zahlen nicht immer gleich Fakten und vor allem nur eingeschränkt vergleichbar sind.Der Weg zur Nachhaltigkeit erfordert vielfältige Ansatzpunkte und das Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei ist es wichtig, dass alle Bereiche der Immobilienwirtschaft berücksichtigt werden und somit ihren Beitrag leisten können. Das reicht vom Erfassen von Verbrauchsdaten und der Wahl von Energiequellen über die zuverlässige Nachweisführung bezüglich des Nachhaltigkeitsstandards bis zur Wahl nachhaltiger Baumaterialien. Das Berücksichtigen aller verschiedenen Einflussfaktoren stellt eine große Herausforderung dar.

Pia Hoffmann-Gallert ist Managerin ESG and Sustainability bei Wüest Partner.

zuletzt editiert am 09. April 2024