Mit einer digitalen Infrastruktur kann die Basis für den gesamten Lebenszyklus eines Quartiers geschaffen werden, wie Eric Giese von Siemens Smart Infrastructure aufzeigt.
Dass Technik und menschliches Verhalten sich parallel weiterentwickeln und gegenseitig beeinflussen, ist an sich nichts Neues. Von der Steinzeit bis zum Weltraumzeitalter: Neue Denkweisen haben neue Werkzeuge hervorgebracht, die wiederum zu neuen Ideen und Modellen des gemeinsamen Lebens und Arbeitens geführt haben. Im Lauf der Jahrtausende hat diese Dynamik dazu beigetragen, dass nachfolgende Generationen widerstandsfähiger wurden und sich an immer neue Umstände anpassen konnten.
Die aufkommende Digitalisierung beschleunigt den technischen Fortschritt in einer Weise, die uns diese wechselseitige Entwicklung im Zeitraffer vor Augen führt. Das zeigt sich schon darin, wie rapide und grundlegend das Internet und die mobile Kommunikation unseren Alltag verändert haben. In vielerlei Hinsicht leben wir heute in einem globalen Dorf, in dem vernetzte Gemeinschaften mehr Möglichkeiten haben als je zuvor, ihre Ressourcen und Fähigkeiten, ihre Ideen und ihre Tatkraft zu bündeln – auch wenn die Früchte dieser Arbeit nicht immer gleichmäßig verteilt sind.
Das Quartier: Ein dynamisches Ecosystem
Ein Campus stellt für die physische Infrastruktur ein ähnliches vernetztes Konzept dar. Dabei verstehen wir einen Campus nicht nur im Sinne eines Universitätsgeländes, sondern fassen den Begriff weiter: Ein Campus kann auch ein Handelszentrum, ein Industriegebiet oder ein intelligentes Stadtviertel sein, das aus einer Vielzahl von Gebäuden mit unterschiedlichster Nutzung besteht. Menschen leben, arbeiten und interagieren hier in ihrer Freizeit in einem dynamischen Ecosystem. Wie muss eine solche Infrastruktur gestaltet sein, um dies optimal zu unterstützen und auch den Anforderungen an eine CO2-neutrale, nachhaltige Zukunft gerecht zu werden?
Digitalisierung ist hierzu der entscheidende Schlüssel. Erst die Digitalisierung ermöglicht die Vernetzung von Gebäuden und Infrastrukturen auf dem Campus und lässt mit smarten Systemen die optimale Nutzung und den optimalen Energieeinsatz zu. Voraussetzung hierfür ist eine konsequente Anbindung der realen an die digitale Welt, sodass hierdurch zum einen ein Maximum an User Experience geschaffen werden kann, aber auch die ambitionierten Ziele bezüglich einer CO2-neutralen Umwelt erreicht werden können.
Digital Twin: Basis für eine nachhaltige Digitalisierung
Mit einer digitalen Infrastruktur, die schon in der Frühphase der Projektentwicklungen mittels Digital Twin Technologien als digitales Abbild inklusive der Infrastruktur aufgebaut werden kann, kann die Basis für den gesamten Lebenszyklus eines Quartiers geschaffen werden. In der Initiierungsphase des Projektes können so schon Simulationen erfolgen, die die spätere Nutzung des Quartiers auch hinsichtlich Energienutzung und -verbrauch in Szenarien darstellt und somit Entscheidungshilfen bietet.
Durch die konsequente Anreicherung der Daten über den gesamten Projektverlauf entsteht eine Daten-Plattform, auf deren Basis jegliche digitalen Anwendungen für den Betrieb aufgesetzt werden können. Es entsteht ein „Digitales Framework“ für den Campus Betrieb mithilfe dessen unter anderem auch die komplexen und dynamischen Abhängigkeiten der Energiesysteme optimal gemeistert werden können.
Dezentrale Energiesysteme für minimalen CO2-Footprint
Ein gutes Beispiel hierfür ist die Umsetzung der dezentralen Energiesysteme hinsichtlich minimalen CO2-Fussabdrucks und maximaler Autarkie. Bisher passive Energieverbraucher wie Gebäude oder auch die eCharging Infrastruktur werden in ein dynamisches Netzwerk von Prosumern verwandelt, sodass sie über digitale Systeme orchestriert aktiv am Energiesystem teilnehmen. Selbst generierte oder auch gespeicherter Energie können bei Bedarf eingespeist oder Nutzungs- und Verhaltensmuster, wie zum Beispiel die Lasten für eCharging, auf Basis von Vorausschauenden KI-Methoden prognostiziert und beeinflusst werden. Hierdurch werden diese „Energie-Communities“ resilienter gegenüber äußeren Abhängigkeiten. Sogenannte Microgrids beispielsweise können eine stabile Stromversorgung für kritische Services in Ausnahmesituationen gewährleisten.
Die Digitale Infrastruktur für Campus und Quartiere mittels Digital Twin Technologien bietet einen Weg in die Zukunft, nicht nur um gegen solche schwerwiegenden Vorfälle gewappnet zu sein, sondern auch um die Lebensqualität der städtischen Communities in vielerlei Hinsicht zu verbessern. Energiesysteme werden intelligent vernetzt, Stadtviertel können besser geplant und die dynamische Nutzung durch digitale Anwendung optimal unterstütz werden.
Ein Beitrag von Eric Giese, Director Infrastructure Project Sales, Smart Infrastructure, Siemens AG „Digitale Infrastruktur für Campus und Quartiere“.