Immobilienaktien sind langfristig weniger volatil als andere Segmente, sagt Dr. Karim Rochdi, Geschäftsführer von Aventos Capital Markets. Eine strukturelle Underperformance gebe es nicht, wohl aber Opportunitäten.
Hinken gelistete Immobilienunternehmen dem Gesamtmarkt hinterher? Wer sich auf dem deutschen Aktienmarkt die Kursentwicklungen der prominenten börsennotierten Wohnungsgesellschaften ansieht und mit DAX und Co. vergleicht, könnte – vor Bekanntwerden des jüngsten Fusionsvorhabens – auf diesen Gedanken kommen. Doch dieser flüchtige Blick verkennt die wesentlichen Faktoren, die für diese besondere Aktiengattung sprechen.
So sind die deutschen Wohnungs-Aktiengesellschaften im internationalen Vergleich keine geeignete Benchmark. Ihre Kursbewegungen im Mai waren wohl unter anderem auf diverse Sonderfaktoren zurückzuführen. Auf ein international diversifiziertes Portfolio, das überwiegend Gewerbeimmobilien im Fokus hat, haben solche Effekte kaum Auswirkungen.
Von pauschaler Underperformance keine Spur
Vergleicht man hingegen den MSCI World REITs Index als Benchmark für ein internationales REIT-Portfolio mit dem MSCI World von Jahresbeginn bis Ende April 2021, ergibt sich sogar eine Outperformance der REITs (Real Estate Investment Trusts) mit 13,5 Prozent Kursplus gegenüber neun Prozent beim Weltindex. Wenn man nun noch berücksichtigt, dass es sich hierbei um Kursindizes handelt, also ohne Berücksichtigung der Dividenden, und dass REITs im Durchschnitt höhere Dividenden ausschütten (müssen) als der Gesamtmarkt, kann von einer pauschalen Underperformance von Immobilienaktien seit Jahresbeginn keine Rede sein. Im vergangenen Jahr hatte sich der Gesamtaktienmarkt allerdings etwas schneller erholt als der Immobilienaktienmarkt, da einzelne Nutzungsarten durchaus stärker von der Covid-19-Pandemie betroffen waren und sind.
Immobilienaktien sind definitionsgemäß natürlich Aktien, die jedoch gegenüber anderen Aktien einige Besonderheiten aufweisen, vor allem, wenn es sich um REITs handelt: Mittel- und langfristig betrachtet und in ihrer Gesamtheit sind sie – anders als oftmals vermutet – weniger volatil und korrelieren stärker mit den Immobilien- als mit den Aktienmärkten. Das ist von zahlreichen Studien empirisch nachgewiesen worden, zuletzt unter anderem von Martin Hoesli und Elias Oikarinen in einem 2019 bei der European Real Estate Society (ERES) erschienen Beitrag. Dieser Effekt lässt sich auch kausal herleiten: Im Durchschnitt haben gelistete Immobilienunternehmen stabilere Erträge als viele zyklische Unternehmen, und überdies wie erwähnt höhere Ausschüttungsquoten. Das schlägt sich in der Regel auch in einer größeren Stabilität der Bewertungen nieder.
Streuung über mehrere Assets ratsam
Angesichts der geringeren Schwankungsbreite kann es in einzelnen Betrachtungszeiträumen allerdings durchaus zu einer temporären Underperformance gegenüber anderen Aktiensegmenten kommen. Risikoaverse, auf Stabilität fokussierte Investoren schätzen ja gerade diese geringere Volatilität und nehmen hierfür die kleinere Amplitude auch im positiven Bereich gerne in Kauf.
Dabei offenbaren sich vereinzelt vorübergehende, fundamentale Unterbewertungen – insbesondere dann, wenn man nicht nur Unternehmenskennzahlen, sondern auch den intrinsischen Wert der Immobilienportfolios der Unternehmen zum Bewertungsmaßstab nimmt. Eine mögliche Kluft zwischen Marktkapitalisierung und tatsächlichem Immobilienwert sollte jedoch nicht als pauschales Argument gegen Immobilienaktien missverstanden werden, sondern kann als günstige Investmentchance wahrgenommen werden. Denn oftmals lässt sich mit etwas Geduld und/oder Geschick diese Kluft schließen und somit vom Wertaufholungspotenzial profitieren.
Wie bei allen Investments lassen sich Risiken bei Einzelinvestments nie gänzlich ausschließen, weshalb eine breite Streuung über mehrere Assets ratsam ist. Dies lässt sich mit Immobilienaktien aufgrund der hohen Fungibilität, der niedrigen Markteintrittsbarrieren sowie des geringen Transaktionsaufwands sehr viel einfacher realisieren als mit Immobiliendirektinvestments oder -fonds. Da eine Stockpicking-Strategie mit dem Fokus auf fundamental unterbewertete Unternehmen allerdings eine tiefgreifende Kompetenz und einen hohen Management-Aufwand erfordern, bietet sich hierfür das Instrument eines aktiv gemanagten Immobilienaktienfonds an. Somit ist es durchaus möglich und durch Beispiele belegt, dass ein aktives Fondsmanagement einen Indexfonds (ETF) schlagen kann.
Günstige Einstiegsgelegenheit identifizieren
Fazit: Immobilienaktien entsprechen bei mittel- bis langfristiger Betrachtung eher der Volatilität und dem Ertragsprofil von Immobilien als von anderen Aktiensegmenten. Die geringere Amplitude kann in einzelnen Betrachtungszeiträumen zu einer vermeintlichen Underperformance führen, die sich langfristig betrachtet jedoch in der Vergangenheit stets ausgeglichen hat. Temporäre Unterbewertungen stellen zudem eine günstige Einstiegsgelegenheit dar, die es zu identifizieren und zu nutzen gilt. Von einer strukturellen Underperformance von Immobilienaktien gegenüber dem breiten Aktienmarkt kann in diesem Jahr bislang allerdings keine Rede sein.
Ein Beitrag von Dr. Karim Rochdi, Managing Partner und Gründungspartner von Aventos.