Energiewende, Digitalisierung, neue Konzepte für Mobilität, Arbeit und Leben – die Weiterentwicklung der Städte beginnt im Quartier.
Der Lebensraum Stadt ist im Wandel. Einerseits zwingen uns die Herausforderungen des Klimawandels und die damit verbundenen Klimaschutzziele der Bundesregierung zum Umdenken, was urbane Verkehrsinfrastruktur, Energieversorgung und zukunftsfähiges Bauen betrifft. Andererseits gehen diese wachsenden Anforderungen im Kontext ökologischer Nachhaltigkeit auch Hand in Hand mit neuen Konzepten für Mobilität, Leben und Arbeit, die auf ein gesünderes und selbstbestimmteres Leben zielen, dabei aber ihren Ursprung in der Digitalisierung haben und somit ebenfalls Energie verbrauchen.
Die Aufgabe von kommunaler Stadtplanung sowie privaten Quartiers- und Projektentwicklern ist es, ressourcenschonende Lösungen zu finden und zu realisieren, die sowohl den eher reaktiven als auch den progressiven Aspekten der urbanen Transformation gerecht werden. Die nötige Technologie stellt dabei das geringste Problem dar. Ob Möglichkeiten zur regenerativen Energieproduktion, strombasierte Fortbewegungsmittel wie E-Autos, E-Scooter und E-Bikes oder die dazugehörige Ladetechnologie – all das ist bereits vorhanden und wird kontinuierlich weiterentwickelt. Woran es hingegen oft mangelt, ist ein ganzheitliches Verständnis der Kernbegriffe Energieversorgung und Mobilität sowie intelligente Konzepte, um beide Sektoren zusammenzubringen.
Stadtraum als Netzwerk denken
Wer mit der Energiewende auch eine Verkehrswende anstrebt, wird nicht umhin kommen, beides zusammenzudenken, um zu einer nachhaltigen und funktionierenden Betriebs-, Verwertungs- und Transferaktivität zu kommen. Die Basis hierfür ist zunächst eine Vernetzung der unterschiedlichen kommunalen und privatwirtschaftlichen Akteure und die Bereitschaft, dezentrale, autonome und selbstorganisierte Systeme auf Basis echtzeitnaher Datenerhebung zu installieren. Die „smarte“ Stadt des digitalen Zeitalters ist als komplexes integriertes Netzwerk zu verstehen, was selbstverständlich auch eine strukturelle Transformation der gängigen Planungs-, Bau- und Betriebskonzepte mit sich bringt.
Dies verlangt darüber hinaus ein planvolles, kontinuierliches Zusammenwirken aller Beteiligten. Eine Herkulesaufgabe? Ja. Doch auch wenn die Sektoren Energie und Mobilität nicht voneinander zu trennen sind, gibt es Möglichkeiten, die Komplexität zu reduzieren: Indem man sich schlichtweg zunächst auf einen anderen Maßstab fokussiert, nämlich als Quartiersdenker.
Die Stadt als Summe ihrer Quartiere
Wenn wir die Stadt als Summe ihrer Quartiere betrachten und zunächst jedes einzelne Quartier als in sich funktionierendes Netzwerk entwickeln, lassen sich diese kleineren Einheiten als Keimzellen für die Transformation des gesamten Stadtraums nutzen. So können bei neuen Quartiersentwicklungen schon in der Konzeptionsphase die richtigen Weichen für eine Kopplung der Sektoren Energie und Mobilität gestellt werden, indem man zunächst anhand der konkreten privaten und gewerblichen Energie- und Mobilitätsbedarfe ein entsprechendes Zielbild entwirft und dieses der weiteren Planung zugrunde legt. Bei der Straßen- und Freiraumgestaltung wird so die Verortung von Ladeinfrastruktur sowie Mobilitätsstationen inklusive Radstellplätzen gleich mitgedacht.
Auch eine etwaige regenerative Energieproduktion im Quartier kann von Beginn an in Korrelation zum Energieverbrauch durch Mobilität geplant werden. Diese Konzeption mündet dann in einen mit der kommunalen Verwaltung abgestimmten Umsetzungsplan, sodass im Ergebnis ein mit der städtischen Verkehrslogik und Infrastruktur intelligent vernetztes und auf lange Sicht zukunftsfähiges Quartier entsteht, das seinerseits progressiv auf diese rückwirkt, also die strukturelle Weiterentwicklung weiterer Quartierseinheiten evoziert.
Komplexität braucht Know-how
Wie bereits ausgeführt, ist es nicht die Verfügbarkeit der nötigen Technologien, die einer ganzheitlichen smarten Quartierentwicklung im Wege steht, sondern die Komplexität des Prozesses von Planen, Bauen und Betreiben. Aus diesem Grund sieht Inno2grid seine Aufgabe als Quartiersdenker nicht allein in der Lösung technischer Fragen und der Verwertung innovativer Produkte und Dienstleistungen, sondern zugleich in der Entwicklung marktwirtschaftlich tragfähiger Organisations- und Betreibermodelle, die dem hier geschilderten Netzwerkgedanken entsprechen. So komplex die zukunftsfähige Weiterentwicklung urbaner Räume auch erscheinen mag, im Angesicht von Klimawandel und digitaler Transformation ist sie alternativlos, und mit dem entsprechenden Know-how auch zu bewältigen – sowohl im Neubau als auch im Bestand.
Der Autor: Frank Christian Hinrichs ist Lehrbeauftragter an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin sowie Geschäftsführer von Inno2grid, einem Joint Venture von Deutscher Bahn und Schneider Electric.
Ebenfalls interessant: